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Ein Traum geht in Erfüllung :-)

Von München nach Amritsar
Wieder in Indien - "zu Fuss" nach Amritsar
Mit dem Schmalspurzug hinauf nach McLeodGanj
Sommerfest, Geburtstagsfest und das Leben der TibeterInnen
Von McLeodGanj mit dem Bus nach Manali
Manali - St. Moritz auf indisch
Hillstation Shimla
Delhi - wieder hier nach über acht Jahren
Familienbesuch aus Schweden
Und noch 10 Tage in Delhi
Überflutetes Varanasi
Offseason in Bodh Gaya
Ein Kreis schliesst sich
Einige Gedanken zum Schluss

From: 
Date: 
Subject: 
"Bettina Schmitz" <->
Thu, 11 Oct 2001 13:06:07 +0545
Ein Traum geht in Erfüllung :-)

    Namaste alle miteinander!

    Anfang November '92 sass ich zum ersten Mal in Kathmandu am Dhurbar Square auf den Stufen einer der grossen Tempel. Als ich das Treiben auf dem Platz beobachtete, hielten dort zwei Frankfurter mit ihren Motorrädern. Die erzählten mir, sie fuhren von Deutschland aus auf dem Landwege hierher ... via Iran, Pakistan, Indien. Ich war völlig fasziniert. Dachte ich damals ja noch in meiner Naivität was das Reisen auf unserem Globus betraf, normal Sterblichen sei die Route durch das alte Persien verschlossen. Seit diesem Tag hatte ich einen Traum: Einmal im Leben wollte ich nach Indien auf dem Landwege fahren. Am 18.Juni 2001 wurde er Realität. Den Schritt über die Grenzlinie nach Indien hinein ging ich in Zeitlupe, jeden Zentimeter celebrierte ich mit meiner ganzen Aufmerksamkeit. Ich war angekommen!!!

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Von München nach Amritsar

    Hierher zu kommen war eigentlich gar nicht so schwierig (abgesehen von diversen Konfrontationen im Umgang mit fremden Kulturen) und sogar billiger als Fliegen. Rechne ich die puren Reisetage und Kosten zusammen (vorrausgesetzt alle Visas sind vor Abreise schon organisiert und excl.Essen), kommt folgendes raus:

140,00 DM  48h  München > Istanbul per Bus+Fähre
64,00 DM  48h  Istanbul > Tehran per Bus
110,00 DM Visum Iran
12,00 DM  30h  Tehran > Grenze Pakistan per Bus
23,30 DM  52h   Grenze Iran/Pak > Grenze Pak/Indien per Bus, Zug, Bus
(Studentenermässigung für die Zugkarte)
  Visum Pakistan kostenlos für 30 Tage
90,00 DM Visum Indien
439,30 DM / 7½ Tage von München nach Amritsar

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Wieder in Indien - "zu Fuss" nach Amritsar

    Nachdem meine Grenzüberschreitung würdevoll mit Foto dokumentiert wurde, machten wir uns auf den Weg durch die Bürokratie auf der indischen Seite. Unsere Gesundheit wurde mit eigenem Stempel im Pass für unbedenklich befunden (was in diesen Tagen schlichtweg gelogen war, ich hatte Durchfall). Der Passkontrolleur interessierte sich mehr für die Arbeitsmöglichkeiten im Computerbereich in Schweden als für unsere Papiere. Am Zoll hatten die Grenzer dann wieder viel zu viel Zeit und nahmen den Inhalt unserer Rucksäcke auseinander. Für meine Unterwäsche interessierten sie sich angenehmerweise kein kleines bisschen. Über Håkan's mitgebrachte CD-Laufwerke, diverse CD's von seiner Arbeit wollten sie dafür genauestens Bescheid wissen ... kamen aber nicht auf die Idee, dass diese Dinge ohne Computer unbrauchbar sind .... die erste Wiederbegegnung mit indischer Logik ... (das LapTop sahen sie nicht). Ich wollte stolz am liebsten jedem erzählen, dass ich schon zum vierten Mal Indien besuche ... aber niemand interessierte sich dafür.

    Raus aus dem kühlen Grenzgebäude und hinein ins heisse Indien. Die zwei km bis zum Bus nach Amritsar im nächsten Ort gingen wir zu Fuss. Ich nahm trotz der Mittagssonne erst mal mein Kopftuch runter. Freiheit Du hast mich wieder!! Wir genossen jeden dieser ersten Meter in Indien. Die Mittagssonne schien sanfter auf uns herab, die Felder leuchteten grüner, Rhododendronbüsche am Strassenrand blühten leuchtender. Die Menschen hatten wieder sanfte Augen, manche grüssten kurz und radelten weiter ihres Weges. Zwei Polizisten fragten amüsiert, wo wir denn zu Fuss hinwollten und spielten weiter Karten. Keiner belästigte uns, wollte Geld, wollte irgendwas. Keine dummen Sprüche, keine Anmachen. Håkan meinte, ohne meinen schweren Rucksack wäre ich wohl samt meinem Lächeln davongeschwebt. Ich war einfach nur noch glücklich :-))))

    Die dreissig Kilometer nach Amritsar fuhren wir dann mit dem Bus. Das allein war schon eine Genuss. Frauen und Männer sassen wieder bunt gemischt auf den Bänken, ohne Geschlechterverkrampfung. Von uns beiden nahmen nur wenige der Fahrgäste Notiz, lächelten kurz, das war's. Wir fühlten uns so frei und unbedrängt wie schon lange nicht mehr. Acht Monate durch überwiegend islamische Länder hatten ihre Spuren in uns hinterlassen. Der Kontrast zum hinduistischen Indien mit seinen Schönheitsidealen und dem weiblichen Körperkult (zumindest in Sagen und Kinofilmen) erschien uns daher besonders stark.

    Nach knapp einer Stunde Fahrt kamen wir in Amritsar an, der Hauptstadt vom indischen Punjab. Ohne Reiseführer, sprich Stadtplan und Hotelideen in einer neuen Stadt anzukommen, war schon ein bisschen blöd. Wir fühlten uns richtig nackt. Wie sehr man sich doch auf Reisen auf solche Bücher verlässt. Wir liessen uns dann kurzerhand von einem Radlrickshawfahrer ein billiges Hotel zeigen. Es passte und wir zogen ein. Endlich wieder Kachelfussboden und kein staubiger, gammliger Teppich im Zimmer! Im Baum vor unserem Fenster sass zur Begrüssung ein grüner Papagei.

    Drei Tage blieben wir in Amritsar. Wir gönnten uns gutes, endlich wieder vegetarisches Essen, genossen unser relativ kühles, ruhiges Zimmer mit Grün vor dem Fenster. Ich genoss es, alleine durch die Strassen zu gehen, ohne einen einzigen blöden Spruch ins Ohr gesteckt zu bekommen oder gar angetatscht zu werden. Frauen in bunten, modernen Salvar Kamez fuhren Moped oder Fahrrad. Männer und Frauen redeten ungezwungen in der Öffentlichkeit miteinander. Welch befreiende Normalität. Wir besorgten uns unseren Indienreiseführer und spazierten gelassen durch die Altstadt. Das Leben erschien uns wieder leicht und frei und freundlich. Nur war es leider auch hier vor-Monsun-heiss.

    Das beeindruckenste in Amritsar ist der Goldene Tempel. Er liegt in der Altstadt, ist das zentrale Heiligtum der Sikh-Religion. Ihr letzter Ghuru sammelte alle bisherigen Lehren in einem Buch, das seither als "ewiger Ghuru" verehrt wird. Der vergoldete und mit unzähligen Einlegearbeiten aus Halbedelsteinen verzierte Haupttempel (haupsächlich aus Marmor gebaut) steht in der Mitte eines grossen Wasserbeckens. Er ist über eine überdachte Brücke zu erreichen. Um das Wasserbecken führt eine breite Promenade, eingerahmt von Pilgerunterkünften und Kantinen. An den Badestufen sind für Frauen seperate Kabinen gebaut worden. Über der ganzen Anlage schwebt der Gesang aus dem Haupttempel. Um nicht abreissendes Gebet zu gewährleisten, werden die Verse des heiligen Buches von einer Gruppe Priester und Musiker unaufhörlich, mit meditationsartigen Melodien rezitiert. Håkan und ich wuschen uns vor dem Haupteingang Hände und Füsse, bedeckten unser Haar und tauchten ein in diese, nur in Indien mögliche Welt des Goldenen Tempel. Wir wanderten im Uhrzeigersinn um das Wasserbecken, sahen verschiedene Anhänger der Sikh-Richtungen (in kräftige Farben gekleidet, mit bunten Turbanen, manche mit Schwertern oder Lanzen ausgestattet), wurden von Familien angesprochen und willkommen geheissen, hörten den Psalmen zu. Wir waren zurück in dem Indien, das wir so sehr lieben. Wir waren wieder zu Hause :-)

    Wegen der Hitze blieben wir wie gesagt nicht lange in dieser Stadt. Unser nächstes Ziel war Dharamsala, genauer gesagt der höher gelegene Ortsteil McLeodGanj, wo die tibetische Exilregierung und der derzeitige Dalai Lama leben. Wir hofften, dort oben der Hitze der Ebenen zu entfliehen, uns von den pakistanischen Reisestrapazen zu erholen. Ich wollte mich nach der dortigen Behindertenschule erkundigen und evtl. arbeiten. Auftanken war angesagt.

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Mit dem Schmalspurzug hinauf nach McLeodGanj

    Um 6 Uhr morgens starteten wir in Amritsar ... um 11 h später endlich die knapp 300 km hinauf nach Dharamsala geschafft zu haben. Öffentliche Verkehrsmittel in Asien brauchen halt manchmal ihre Zeit. Wir fuhren zuerst mit dem normalen Zug nach Pathankot, stiegen dort um in einen Schmalspurzug. Oh je. Hätten wir vorher gewusst was auf uns zukommt, hätten wir den Bus genommen und wären nach knapp 5 Stunden direkt am Ziel gewesen. Kaum fuhr der Zug ein, wurden die ohnehin schon kleinen Abteile von viel zu vielen Menschen bestürmt. Das bedeutete, noch im Rückwärtsfahren wirft man seine Taschen, Tücher oder sonstige geeignete Gegenstände auf die Holzsitzbänke und drängt dann irgendwie hinterher. Wir mit unseren Rucksäcken waren für diesen Massenandrang viel zu schwerfällig. Håkan verschwand in einem Abteil, ich zwängte mich in den Gang eines anderen, wurde von einer Familie zu sich gewunken, die eine ganze Bankreihe ergattert hatte. Die Vorteile einer "alleinreisenden" Frau. Nach wenigen Minuten stand Håkan an der Türe und fragte, ob für ihn noch Platz sei. Er war im Nachbarabteil fast erdrückt worden und gab das Platzgerangel auf. Die Familie machte auch für ihn noch ein Stückchen Sitzbank frei. Dichtgedrängt und schwitzend in der morgendlichen Hitze sassen wir also glücklich im Zug. So was hatte ich bis dato noch nicht erlebt. Völlig überfüllt setzte er sich langsam in Bewegung. Menschen hingen an Fenstern und Türen, einige sassen auf dem Dach. Mit ca. 20 km/h zuckelten wir in die Berge hinauf, machten an verschiedenen Bahnhöfen unterschiedlich lange Pausen. Schliesslich braucht ja auch ein Zugführer Mittagessen ... Die Ausblicke auf grüne Hügel, wolkenverhangene Berge im Hintergrund, hinunter auf Flüsse und Schluchten genoss ich sehr. Wir kamen ins Gespräch mit unseren Sitznachbarn, bekamen Pakoras (gebackenes Gemüse) und Chat (warme, gewürzte Kichererbsen) spendiert. Die Leute im Zug waren trotz der Enge liebenswürdig und natürlich neugierig, wie sich zwei reiche Ausländer in diesen Zug verirren konnten.

    Nach knapp sieben Stunden Fahrt kamen wir endlich in Karga an, stiegen um in den Bus und dann kam der Schock. Unsere Vorstellung von McLeodGanj (MLG) war die eines beschaulichen Dorfes voller Tibeter und buddhistischer Tempel. Schöner Traum. Wir stiegen aus und standen in einem Gewühl von stinkenden Autos und Bussen, indischer Touristengruppen, leicht bekleideten ausländischen TouristInnen, neonbeleuchteten Restaurants. Wir dachten, wir sind im falschen Film. Auf einen Tip hin zogen wir in ein Hotel in einer Seitenstrasse . Wir bekamen ein Traumzimmer im obersten Stockwerk, mit grosser Terasse vor der Türe, freiem Blick auf Berge und hinunter ins Tal. Unser Hotel gehörte zu einem buddhistischen Kloster, das seinen Hauptsitz in Goa hat.

    Wir sassen erstmal ernüchtert auf unserem Bett. Ich fühlte mich hier völlig am falschen Ort. Was ich mir als Platz zum Luftholen erwartet hatte stellte sich als das genaue Gegenteil heraus. MLG besteht hauptsächlich aus Hotels aller Preisklassen, mittelmässigen Restaurants, einigen Bars und Videosälen, Souvenir- und Schmuckgeschäften. Dazwischen finden sich buddhistische und hinduistische Tempel und Stupas, der Haupttempel, einige Klöster, das Büro der tibetischen Exilregierung, das Wohnhaus des Dalai Lama. Die tibetische Bevölkerung (hier ca. 8000) verschwindet in Horden indischer Wochenendtouristen, ausländischer Sinnsuchender (man kann hier an Kursen von Raiki bis zu transzendentalem Irgendwas teilnehmen), ununterbrochen lärmender Israelis (halten das für Feiern). Da so viele Ausländer hierherkommen, ist der Ort auch Magnet für alle Arten von Bettlern. Einige Leprabettler leben hier schon seit Jahren (Ich fand in einem Cafe Biografien über manche von ihnen. Ein Ausländer hatte sie fotografiert und ihre Lebensgeschichten aufgeschrieben. Anonyme bekamen bekamen wieder Persönlichkeit :-) Dieser Ort hatte eine seltsame Stimmung. Wir fühlen uns nicht besonders wohl hier und blieben trotzdem 2½ Wochen.

    Nach einigem Ausprobieren fanden wir ein gutes, italienisches Restaurant. Wir lasen und schrieben viel, genossen monsunschwere Regengüsse und die Kühle auf 1600 m Höhe. Vom Regen konnte ich gar nicht genug bekommen. Hatte Nachholbedarf. Wir unternahmen kleine Wanderungen zu einem Wasserfall (bestückt mit Kiosk und belagert von indischen Youngstern) und hinauf in ein kleines Tal (in dem liegen versprengt unzählige kleine Häuschen zum vermieten, bestückt mit Israelis). Für unsere geplanten Bergtouren war es leider zu nass und zu wolkenverhangen. Von den 3800 m hohen Felsengipfeln hinter uns sahen wir nur selten etwas.

    Dafür sassen wir in einem richtigen Freillandzoo. Täglich wurde der Abfalleimer auf unserer Terasse (mit Expander gesichtert) von einem Affen heimgesucht. Nach einigen Tagen hatte er den Trick zum Deckelöffnen raus und verteilte den ganzen Müll um sich herum, auf der Suche nach Obstschalen und Keksen. Er wurde regelmässig fündig und verteidigte seine Beute mit lautem Fauchen, wenn ich an ihm vorbei die Treppe hinauf kam. Vor und über uns kreisten alle möglichen Arten von Greifvögeln, einschliesslich Adler. Bunte Amseln verteidigten mit lautem Protest ihre Territorien gegen jede Art von Eindringling. Auf einem unserer Spaziergänge sahen wir einen bunten Papagei mit langem, blau schlillernden Schwanz. Und überall waren Affen zu gegen. Mamas mit kleinen und grossen Babys, Sippen, Alte die Wache schoben. Einmal beobachteten wir eine ganze Sippe, die auf 4 m Höhe eine Strasse überquerte - sie hangelten sich kopfüber und kopfunter einer nach dem anderen die Stomleitung entlang. Noch die nächsten drei Pfosten wackelten unter ihrem Gewicht. Uns wunderten die immer wieder auftretenden Stromausfälle danach nicht mehr :-)

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Sommerfest, Geburtstagsfest und das Leben der TibeterInnen

    An einem Wochenende fand im Tipa-Institut (so was ähnliches wie ein Kulturzentrum) ein Sommerfest statt. Veranstaltet vom "Verein für nordindische Kultur und Folklore" wurde am Freitag und Samstag Abend in einer kinoähnlichen Halle verschiedene Musik- und Tanzdarbietungen gezeigt. Einen Abend war auch ich dabei. Der Saal war voller TibeterInnen, Mönchen, Nonnen, Punjabis und anderer indischer Wochenendausflüglern. Die wenigen Touristen gingen zwischen den Einheimischen unter ... :-)). Drei Stunden lang zeigten dann kleine und grosse Gruppen ihre Künste. Inderinnen sangen und tanzten Masalapopsongs; gemischte Gruppen tanzten ganze Geschichten; manche hatten ihre eigene Musikgruppe dabei; ein bekannter indischer Musiker kam mit seinem Ensemble und spielte traditionelle, indische Sitarmusik; Kinder imitierten Kinohelden (singend und tanzend in typischem Masalamoviestyle); eine Kindergruppe aus Rajasthan tanzte mit Kerzen auf dem Schleier. Es war unbeschreiblich bunt und vielseitig. Von Gujarat über Rajasthan zum Punjab und Himachal Pradesh -- aus vielen vielen verschieden Gebieten waren Folkloregruppen gekommen und zeigten in ihren Kostümen/Trachten ihre Kultur. Ich war nur noch am Schauen, Staunen und Zuhören ... Mit am besten gefiel mir eine Männergruppe aus dem Punjab. 22 kräftige Männer, bekleidet mit bunten Turbanen, bunten Westen und weissen Hosenanzügen, tanzten barfuss Kreistänze. Über's ganze Gesicht lächelnd, die grossen runden Augen blitzten schelmisch, der Kopf wackelte bedenklich auf dem Hals in typisch indischer Gestik. Hab mir vorgestellt, in Deutschland tanzen Männer so ausgelassen ... bekommen die nicht mal zum Fasching so locker hin ;-). Ein ca.10jähriger imitierte den neuesten Popsong aus einem Kinofilm ... mit den Originalgesten des Hauptdarstellers. Der Bub war mehr rund als hoch, tanzte und hüpfte trotz seines Übergewichtes mit unerschöpflicher Energie über die Bühne. Es war einfach grandios! Durch den Abend führte ein in modernes Schwarz gekleideter Moderator ... erinnerte mich an so manche Pfarreiveranstaltung zu Hause. Jedes Fest braucht anscheinend einen sich wichtig nehmenden Laberer ;-) Nur die indische Version von Stefan und Erkan war mir eindeutig zu lange. Anstatt Türken, Deutschen oder sonstigen Klischeecharaktern waren es hier zwei Strassenbettler und ein kleiner Angestellter. Comedy-Einlage auf indisch :-/ Am Ende der drei Stunden tanzten die meisten indischen Männer mit der Punjabitanzgruppe ausgelassen auf der Bühne. Frauen waren nicht dabei. Es war wunderschön ...

    Am 6.Juli ist der Geburtstag seiner Heiligkeit des 14. Dalai Lama, Tenzin Gyatsu. In MLG wird er mit einem grossen Fest begangen.

    Am Abend davor merkte man schon die Spannung der Vorbereitungen im Ort. Trachten hingen frisch gewaschen auf allen Hausdächern. Einer unserer Hotelleute übte wieder und wieder Tanzschritte im Raum der Rezeption, in Tracht und unter Begutachtung seiner Kollegen. Die gaben gutgemeinte Ratschläge zu Schritten und Armhaltung ab ... und brachten den Armen ganz durcheinander. Am Morgen des Festes war an Frühstück vom Hotel nicht zu denken. Alle liefen nervös im Erdgeschoss herum, letzte Vorbereitungen für's Fest.

    Håkan und ich gingen, inmitten von feschen TibeterInnen, vor neun Uhr hinunter zum Haupttempel. Die Strassen rundherum waren von Imbissständen und Erfrischungsbuden gesäumt. Der grosse Platz vor dem Gebäude war schon mit Menschen gefüllt. Jeder hatte sich herausgeputzt. Alte und Junge hatten ihre Trachten an, sassen auf mitgebrachten Kissen und unter Sonnen/Regenschirmen auf dem Boden. Stellte sich einer vor die Sitzenden wurde er/sie höflich aber sehr bestimmt darauf hingewiesen, nicht die Sicht zu versperren. Sogar auf dem Dach der seitl. Meditationshalle tummelten sich Leute, hauptsächlich Mönche. Im Erdgeschoss des Tempels waren Stuhlreihen für Würdenträger und Ehrengäste aufgebaut. Der kleine, sonst verschlossene Tempelraum des Erdgeschoss stand offen, auf dem Thron ein grosses Foto vom Dalai Lama. Alleine diese Szenerie schon zog mich in ihren Bann. AusländerInnen waren nur wenige da. Die Sonne schien warm vom ungewöhnlich klaren Himmel auf uns herab.

    Um neun Uhr begann dann das Fest. Eine Musikkapelle zog von der Strasse her auf den Platz. Ansprache des Ministers der Exilregierung, Reden, Ehrungen, Ansprache eines indischen Vertreters aus Pathankot (zozusagen die Kreisstadt). Der Ablauf solcher offiziellen Festlichkeiten scheint sich überall auf der Welt zu ähneln. Die Tibeter sprachen auf tibetisch, der indische Politiker auf englisch. Eine Tibeterin sagte die einzelnen Redner an, auf tibetisch und englisch. Und dann ging's richtig los. Aus allen Regionen Tibets führten gemischte Gruppen in ihren speziellen Trachten Schreittänze vor. Pelzmützen, Brokatschärpen, Silberbänder mit grossen Korallen, Türkisen und Silberperlen besetzt, reich verzierte Westen, alle möglichen Arten von Hüten und Kopfputz. Die Kostüme und so mancher Kopfschmuck sahen kiloschwer aus. Viele Gruppen hatten Musiker dabei. Kindergartengruppen sangen, die älteren tanzten. Die Reihe der sich abwechselnden Gruppe schien nicht zu enden. Stellte sich die eine Gruppe an, um Katas (weisser Schal) als Dankeschön entgegenzunehmen, kam auch schon die nächte von der Treppe herunter und stellte sich auf. Eine Inderin tanzte die Geschichte von Krischna, ihr Mann erklärte die einzelnen Symbole dazu. Eine junge Frau sang ein langes, durchdringendes Lied, begleitet von frenetischem Jubel. Es hörte sich nach Obertonsingen wie in Tuwa an. Ich war nur noch beeindruckt. Zwischendurch brauchten wir Pause, gingen in ein nahegelegenes Cafe. Jeder der Gäste dort bekam ein Stück Geburtstagstorte spendiert. Håkan ging danach heim und ich wieder auf den Festplatz. Ich wollte so wenig wie möglich verpassen. Die Kostüme der Tanzgruppen sahen noch reicher aus. Das Publikum lichtete sich allmählich. Allerdings konnte ich kaum mehr Unterschiede in den Melodien erkennen. Mein Kopf war einfach zu voll. Nach jeder Darbietung klatschte das Publikum kurz, eher verhalten. Mir kam's zunächst seltsam vor. Dann erinnerte ich mich daran, dass die Tibeter früher durch lautes Klatschen in die Hände böse Geister vertrieben. Klatschen und Klatschen wurde hier also völlig entgegengesetzt benutzt. Um zwei Uhr Nachmittag war das Fest zu Ende. Nach und nach gingen Gäste und TänzerInnen nach Hause. ich sass noch ein wenig neben einer alten Frau auf einer Bank, schaute den Menschen zu.

    Seine Heiligkeit zeigte sich leider den ganzen Tag nicht. Er war mit Privataudienzen und öffentlichen Empfängen ausgebucht. Auch fand leider während unseres Aufenthaltes keine öffentliche Audienz statt. Diesen beeindruckenden Mann zu sehen oder zu hören scheint im Ausland einfacher als in seinem derzeitigen Wohnort. Interessant fand ich, wie er seit Jahren daran arbeitet, die tibetische Exilregierung nach und nach demokratisch umzustrukturieren. Tibet wird nie wieder ein "freies" Land sein. Dieser Zug ist abgefahren. Der Dalai Lama ist sich dessen bewusst und arbeitet auf die Freiheit hin, dass sich Tibet eines Tages innerhalb des Grossreiches China demokratisch selbst verwalten darf. Ich drücke ihm alle Daumen und bete dafür, dass diese Vision Wirklichkeit wird.

    Ich lernte eine Österreicherin kennen, die Sinologie und Tibetologie studiert. Sie war seit einigen Monaten in McLeod, arbeitete in der tibetischen Bibliothek, lebte mit den TibeterInnen zusammen. Sie berichtete mir manches über das Leben der TibeterInnen im Exil. Einige ihrer Freunde lernte ich kennen. Manche waren hier geboren, die meisten aus Tibet geflohen. Die meisten TibeterInnen, die sich heutzutage auf den beschwerlichen Weg durch den Himalaya machen, tun es der besseren Ausbildungsmöglichkeiten wegen. In ihrem eigenen Land werden nur wenige zu höheren (chinesischen) Schulen zugelassen.Tibetische Sprache und Traditionen zu studieren ist unmöglich. TibeterInnen gelten in China immer noch als minderwertige Menschen, Hinterwäldler die keine Kultur haben (und die China aus ihrer Misere rettete ...). Über die Grenze zu Nepal kommen sie auf illegealen Wegen. Die legale Ausreise ist ihnen verboten. Zwischen Nepal und Indien besteht ein Abkommen über die "Handhabung" der Flüchtlinge. Einmal im nepalesischen Flüchtlingslager angekommen, werden sie registriert. Ein Bus bringt sie legal über die Grenze in ein indisches Lager. Von dort werden dann Verwandte, Freunde oder Zentralen in den jeweiligen tibetischen Gemeinden in Indien angerufen. Die "Verteilung" in die verschiedenen Orte ist gut organisiert. Per Bus kommen sie dann z.B. hier hinauf nach MLG ... mit wenig Geld, wenig Gewand ... aber "frei". Manche gehen nach der Ausbildung oder zwischendurch wieder zurück. Viele ihrer Familien und Freunde leben ja noch in Tibet. Kommunikation dorthin ist schwierig. Post wird abgefangen (passiert auch Håkan immer wieder wenn er an seine chinesische Schwester in ChengDu schreibt, mainland China) oder die Familie unter Druck gesetzt. Macht jemand sich die Mühe, nach Tibet zurückzugehen, erwartet ihn Geldbusse oder Gefängnis, je nach Biografie. Ein Freund verbrachte drei Monate in chinesischen Gefängnissen als er zurückging, um seine Familie zu besuchen. Nun wieder in MLG überlegt er, wieder nach Tibet zu gehen. Anstrengender und nicht ungefährlicher Kreislauf. Aber was soll er machen? Seine Familie abschreiben? Jeden Kontakt verlieren?

    Für die meisten Flüchtlinge ist die Situation in Indien schwierig. Viele nehmen erst einmal ettliche Kg Gewicht ab, das Essen in Indien ist nicht so kalorien- und fettreich wie in Tibet. Auch ist das Klima anstrengend, schwül und heiss. Es gibt Krankheiten, deren Bakterien/Viren im tibetischen Hochland nicht existieren. Nach dem Ende der Schulzeit/Unizeit wird nicht selten Arbeitslosikeit zum Problem. Nach ein paar Jahren wird die Trägheit dominanter als die einstige Motivation zur Flucht aus dem Heimatland. Alkohol und Drogen füllen manche Leere, AIDS wurde auch hier zum Thema. Flüchtlingsgeschichten, wie sie in Somalia, Pakistan, Deutschland, Australien geschehen ... jeden Tag ... jede Woche ... und nur wenige Aussenstehenden schauen hin.

    Was mich immer wieder beeindruckt, ist das tiefe kulturelle Selbstbewusstsein dieses Volkes. Sie erziehen ihre Kinder, übernehmen Verantwortung für Familie und das soziale Zusammenleben, halten zunächst freundliche, bewusste Distanz zu anderen Kulturen (InderInnen, TouristInnen), leben ihre Traditionen weiter (auch in Musik, Festen und Kleidung). Etwas befangen fragte ich einen Freund, was er denn von all den freakigen Touris hier hält. Völlig unbefangen und natürlich direkt antwortete er, die Touristen haben deren Kultur und die Tibeter ihre. (über die Definition von Kultur hätte man noch diskutieren können ...). Die Tibeter beobachten, lächeln über so manches Gehabe, und scheren sich ansonsten nicht viel darum. In ihrem Leben sind andere Dinge wichtig

    Tibet lebt heute ausserhalb seines Landes, aus seinem ursprünglichen Innen wurde es vertrieben. In einem Buch las ich den Kommentar "Mit Tibet hat die Wlt eine weitere Kultur für's Völkerkundemuseum. Besucher sehen sie sich an, bemitleiden ihre heutige Unterdrückung un gehen wieder nach Hause". Und ich werde wieder daran erinnert, wie Tibet erst von der CIA unterstützt wurde, dann war der mögliche Wirtschaftsfaktor China wichtiger, USA war mitten im Vietnamkrieg und den Geschehnissen im Hochland liess man seinen Lauf. Heute fühlen alle mit dem Schicksaal der TibeterInnen mit ... aber kein Staat macht sich ernsthaft stark für die Freiheit dieses Volkes. China's Wirtschaftskraft ist für den Westen einfach zu verlockend. Geld regiert wieder mal die Welt. Dann kam der Beschluss des IOC, China den Zuschlag für die olympischen Spiele 2008 zu geben ...!! Wir waren soooo sauer. Ein weiteres Mal: Augen zu vor Menschenrechtsverletzungen, Folter, Zwangssterilisationen und Zwangsabtreibungen (wird tibetischen Frauen im Land IMMER noch angetan), Einschränkung der Religionsfreiheit und und und. Ein weiterer Beweis, dass auf unserem Globus jeder Narrenfreiheit hat, hat er nur genug Geld oder im Falle China, Profit versprechende Märkte zu bieten. Wer ernsthaft glaubt, China wir nun unter öffentlichem Druck seine Politik ändern, der glaubt noch an das Gute und an die Einflussmöglichkeiten der Demokratie. Mein Glaube an diese Mechanismen verschwindet immer mehr. (Kuweit wurde nach der irakischen Invasion umgehend von den Streitkräften der USA "befreit". Kuweit hat Ölquellen die es für westlichen Zugang zu sichern galt, Tibet hat sie nicht ...)

    Und nocheinmal Drogen. Morgens um 10 Uhr begegnete mir an einer Apotheke eine blass und dünn aussehende Anfang Zwanzigjährige, englischsprachig. Sie fragte nach Valium. Der tibetische Inhaber meinte, in McLeod bekäme sie so etwas, er führe kein Valium. Vielleicht gibt's es unten in Dharamsala. Als wir anschliessend miteinander plauderten meinte er, natürlich habe er Valium aber das muss er nicht jedem auf die Nase binden. Viele Ausländer hier oben würden alle möglichen Arten von Drogen konsumieren, auch bestimmte Pilze aus den Wäldern. Wenn die jungen Menschen sich zu Grunde richten wollen sei das ihr Problem (und das ihrer Familie). Er aber wolle es nicht auch noch unterstützen. Und es habe einen schlechten Einfluss auf die tibetische Jugend.

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Von McLeodGanj mit dem Bus nach Manali

    Nach 2½ Wochen packten wir wieder unsere Rucksäcke und stiegen in den Touristenbus nach Manali. Eigentlich bevorzugen wir ja die normalen indischen Busse. Der an unser Ziel fuhr aber schon um 4.30 morgens und das schaffen wir beim besten Willen nicht. So nahmen wir halt den Touribus (auch für indische Touristen gedacht) um 9.00 ... um nach 12 h Fahrt endlich in Manali anzukommen ...!? Hinterher erfuhren wir, dass unser Busfahrer die falsche Route nahm und einen riesigen Umweg hinunter ins Flachland und wieder hinauf in die Berge machte (normale Fahrzeit ist 5-7 h). Hatten uns schon gewundert über die nichtgeteerten Feldwegen auf denen wir fuhren. Zudem war er auf den letzten 100 km mehr damit beschäftigt, Waren mit entgegenkommenden Bussen durchs Fenster auszutauschen, als sein Gaspedal zu betätigen. In Manali beschwerte ich mich beim Busbetreiber, der schaute mich erstaunt an ... Übermüdet und hungrig suchten wir uns erst mal durch Menschenmassen und Neonleuchten ein Hotel und landeten den Hit überhaupt. Für den halben Preis (Nichtsaison) bekamen wir ein grosses Luxuszimmer mit blitzblankem Bad, Seife, Handtücher, Blick talabwärts und ... einen Fernseher mit Satellitenanschluss!

    Ausser den in Himachal Pradesh überall vorkommenden Israelis sassen einige InderInnen im Bus. Das Päarchen hinter uns war auf Hochzeitsreise. Sie hatten vier Wochen Zeit, alle Hotels waren im Vorraus gebucht. Das "Surya" in McLeod sei das aller aller beste schwärmten sie mir vor. Wir hatten diese Hotel uns während unseren Familienrecherchen angesehen ... und fanden es muffig, steril, etwas heruntergekommen. Indische Geschmäcker sind halt verschieden.

    Beim morgendlichen Warten auf den Bus lernten wir ein Paar aus Canada kennen. Sie waren in unserem Alter, reisen viel durch die Welt, kamen gerade von italienischen und dänischen Verwandtenbesuchen, machen nochmal 6 Wochen Urlaub in Indien bevor sie nach Australien fliegen und dort einige Jahre bleiben. Manchmal finden sich die Menschen, ohne zu suchen :-) Wir vier waren wie vier Teile eines sich unentwegt austauschenden Ganzen. Es war unglaublich. Sonst übliche Anfangsfragen nach Herkunftsland, Beruf, Reiserouten übersprangen wir erst mal. Viel spannender war der Austausch über: wie sich Reisen in muslimischen Ländern auf den Umgang miteinander und innerhalb der Beziehung auswirkt, welche Staaten welche Rolle in der Weltpolitik einnehmen und wie dies sich dann auf das angebliche Reiseland und dessen Umgang mit Ausländern auswirkt, der Einfluss der verschiedenen Kulturen auf den eigenen Horizont, Argumente für und gegen den Euro samt Hintergründe von Bedenken und die häufige Minimalkonsenspolitik der EU (Håkan und ich haben was Europa anbetrifft meist völlig verschiedene Ansichten, typisch ProEuroDeutsch und typisch AntiEuroSchwedisch, Penny und Mario als Aussenstehende von Übersee waren neugierig auf Innenansichten). Einen Tag trafen wir uns nochmal zufällig auf der Strasse, gingen zusammen zu einem Tempel im Wald, zum Heimatmuseum, zum Essen ... und bekamen doch von allem kaum was mit. Es sprudelte nur so heraus aus uns vieren :-)) Die beiden fuhren weiter nach Leh und wir blieben in Manali. Håkan und ich haben nun einen weiteren Grund, Australien zu besuchen ;-)

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Manali - St. Moritz auf indisch

    Als ich Manali zum ersten Mal bei Tageslicht und von oberhalb sah, musste ich lachen. Der Ort schaut St. Moritz beinahe zum Verwechseln ähnlich, bis auf einige unwichtige Details. Manali selbst ist eine Ansammlung von Hotels, Restaurants und Shops. Was in St. Moritz die Sportgeschäfte sind, sind hier die Kullu-Wollschal-Geschäfte. Aus der in der Umgebung gezüchteten Angorawolle bekommt man hier von Handschuhen über Unterwäsche zu den berühmten grossen Schals alles. Wenn man möchte, kann man sich so eine Angorafarm ansehen, von Deutschen betrieben. Die Stadt ist voller indischer Touristen. Männer- und Frauengruppen auf Reisen, Honeymooners, Familien. Alles dreht sich um Angora, Äpfel (eine weitere Spezialität dieser Gegend) und an den zahllosen Schaufenstern shoppen gehen. Von einem ursprünglichen Dorf ist nur mehr wenig zu sehen. Jeder verfügbare Meter ist von Hotels zugebaut. Das beste war der Ortsteil "Modeltown". Hier stehen 4-7 stöckig Hotels und Guesthouses, neue und halb verfallene, teure und billige, geschmackvolle und reine Betonbunker wild aneinander gedrängt und ineinander verschachtelt. Städteplanung gibts hier nicht. Davor fanden wir ein wunderschönes buddhistisches Kloster und einen buddh. Tempel. Besieht man sich die "Stadt" von oben, sieht man im ganzen Talabschnitt wahllos verstreut grosse und kleine Hotelburgen aus dem dichten Grün von Apfelgärten und Nadelbäumen hervorlugen. Dazwischen finden sich einige buddhistische Tempel und Klöster, und spärlich auszumachende Hindutempel. Als ich das erste Mal in St. Moritz war, fand ich den Ort nur hässlich und von Beton und Touriläden verschandelt, ohne Gesicht. Beim zweiten Besuch gings mir trotz viel Schnee nicht besser. Das gleiche Gesicht hat Manali für mich. Beton und Tourismus, sonst nichts.

    Old Manali dagegen beherbergt heute zwei absolut nicht kompatible Kulturen. Die eine ist das ursprüngliche, an einem Hügel gelegene Dorf Manali mit Bauernhäusern aus dicken Holzbalken, schiefergedeckten Dächern, kunstvoll geschnitzten Tür- und Fenserrahmen. Frauen in Tracht sitzen am Fenser und beobachten das Treiben auf der einzigen geteerten Strasse, hüten Enkelkinder, füttern die Hühner. Die andere ist ein weiterer Ableger der Backpacker Trink- und Drogenkultur aus Goa, McLeod oder wie die modernen Hippiehangouts in Indien sonst noch so heissen. Auch dieses Jahr ist OldManali fest in israelischer Hand. Die Hauptstrasse gesäumt von Pubs und Cafes, Bob Marley- und House-Beschallung, Batikkleidung mit den üblichen, in ganz Asien zu findenden Motiven, Schmuckläden, billigen Hotels und German Bakerys. Gärten, Hinterhöfe und Strassenränder stehen voller Marihuanastauden, für Nachschub ist gesorgt. Diese Saison scheinen Enfieldmotorräder (Ankauf/Verkauf/Vermietung + Werkstatt sind natürlich vorhanden) und an Taucheranzüge erinnernde weite Hosen modern zu sein. zwischen all dem hängen stinkende Abgase, von lauten Motorrädern oder lauten TuckTucks produziert. Das originale Old Manali erweckte unsere Sehnsucht nach Trekking und unsere Liebe zu den Bergvölkern im Himalaya. Das Traveller Old Manali fanden wir anwiedernd. Diese Show ist einfach nicht unsere Welt. Meine war sie auch bei meiner ersten langen Asienreise nicht.

    Wir mit unserer Herberge hatten da richtig Glück. Sie lag auf dem ruhigeren Stück Strasse, genau zwischen Touri- und OldManli, gegenüber ein grosser Park mit dichtem Wald :-)

    Die vier Tage hier verbrachten wir überwiegend mit Hotels ansehen, kleinen Spaziergängen, Ansehen von Kinofilmen, National Geografic und BBC-World im Fernsher, und dem Ausfindigmachen von geeigneten Touren hinauf nach Leh oder Spiti für meine Schwiegerfamilie. Wir fanden ein Reisebüro dessen Besitzer aus einem Dorf oberhalb Manalis stammt. Er und seine Angestellten kennen die Gegend und wissen wovon sie reden. Er hatte verlockende Touren im Angebot. Mit Pferden zu Fuss hinauf nach Leh, 16 Tage + vorher 3 Tage Höhentraining; mit Jeeps, Zelt und Kocher auf einer Nebenroute hinauf nach Leh/Ladakh, fünf Tage die Berge geniessen anstatt der üblichen zwei auf der Hauptstrasse; Route durch's sog. Blumental via einen hochgelegenen See hinüber nach Spiti. Wir sassen zwei Stunden lang bei Tee im Büro und lauschten und lauschten und bekamen wieder mal Lust, tagelang durch Täler und über Pässe zu wandern ... und fanden eine interessante Route für Håkan's Familie. Da wir mit ihnen entweder hinauf nach Leh oder hinüber nach Spiti fahren wollten, machten wir uns ein paar gemütliche Tage hier, genossen unser Luxuszimmer und beschlossen, auf dem Weg nach Delhi in Shimla Halt zu machen. Es regnete jeden Tag einige Stunden, die Wolken hingen tief an den Berghängen und an längere Wanderungen oder gar Sicht auf Gipfel und umgebende Gletscher war eh nicht zu denken.

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Hillstation Shimla

    Wieder in den Bus, diesmal endlich in einen lokalen und ab gings das Kullutal wieder nach Süden. Der Fluss und die meisten Wasserfälle waren vom Regen der letzten Tage angeschwollen .... und wir steckten stundenlang vor einem Erdrutsch fest, der die einzige Strasse im engen Tal zwischen Kullu und Mandi blockierte. Hätten gar nicht so zeitig aufstehen zu brauchen :-/ Kaum in den tiefer gelegenen Tälern wurde es auch schon wieder warm und uns viel zu heiss. Nach 10 h Fahrt durch grüne Täler, vorbei an Stauseen und E-Werken, unter klarem Himmel kamen wir in Shimla an.

    Shimla ist die frühere Sommerhauptstadt der britischen Kolionalherren. Während jeden Monsuns wurden bergeweise Akten, Büromaterial und Möbel aus den Ministerien und den Ministerhaushalten in Kalkutta (später dann Delhi) hier rauf transportiert. Die Ministerfrauen kamen schon einige Wochen vorher in die Stadt um die Ankunft ihrer Würdenträger vorzubereiten und die ersten Empfänge und Teepartys zu organisieren. Die Stadt liegt auf einem Bergrücken. Seine Innenstadt ist fahrzeugfrei. Steile Treppen und sogar ein Lift führen vorbei an alten, oft hölzernen Kolonialgebäuden hinauf zur "the mall", der Hauptachse in der Fussgängerzone.

    Wir fanden ein billiges Hotel (wieder mit Satellitenfernseher!) mit Blick hinunter ins Tal und vergitterten Fenstern ... Unser Vermieter warnte uns vor den sich hier tummelnden Affen. Die kämen gerne durchs offene Fenster in leerstehende Räume und wühlten dann in allem, was sie finden könnten. Deswegen auch die Gitter an den Fenstern. Danke für den Tip. Affen sahen wir eine Menge, besucht hat uns freundlicherweise keiner.

    Zwei Tage streiften wir durch die Stadt. Ich fand sie sehr seltsam. Zu gross, um gemütlich zu sein. Die Mitte des Hauptplatzes auf dem Hügelrücken ist weit, geteert, unzählige Younsters, Honeymooners und alle möglichen Arten von indischen Touristen (auch buddhistische Mönche) flanieren hier entlang. Händler verkaufen Zuckerwatte und andere Snacks. Eine Imbissbude aus Holz sah aus wie der Käferstand auf der Wies'n. Sie stand auch noch passend unter drei hohen Kiefern. Drumherum finden sich alte zweistöckige Kolonialgebäude, neue Betonwürfel, das Rathhaus und die Hauptfeuerwache (noch in der Fussgängerzone). Souvenirgeschäfte und Restaurants wechselten sich ab. Gute Restaurants fanden wir nicht, dafür aber einen richtigen Supermark (mit teuren Importen). Jeden Nachmittag flüchteten wir vor Monsunschauern unter ein Dach oder in ein Geschäft. Einen Tag hatten wir am Vormittag allerdings Sonnenschein und freie Sicht auf manche Gipfel hinter Manli. So sahen wir sie zumindest von der Ferne. Ich fand die umliegenden Täler und Hügel wunderschön, Håkan waren sie zu zersiedelt. Ausländer sahen wir nur vier oder fünf. Shimla hat nicht viele Attraktionen für ausländische Touristen zu bieten. Die Inder sind von ihr allerdings ganz begeistert. Für uns war's halt noch eine der vielen früheren britischen Hillstations. In Kolonialzeiten als Schmuckstücke gepflegt und Zufluchtsort vor der Sommerhitze in den Ebenen, sind sie heute eine skurille Mischung aus halbherzig renovierten Kolonialbauten, moderner indischer Betonarchitektur und indischem Vergnügungspark. Shimla einmal gesehen ist genug.

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Delhi - wieder hier nach über acht Jahren

    Ich bin immer wieder angetan von dem Netz der öffentlichen Verkehrsmittel in Indien. Man kommt an fast alle grösseren Orte mit Bus oder Zug direkt hin. Wir nahmen den Bus Shimla-Delhi. Es würde auch ein Schmalspurzug hinunter in die Ebene gehen, dort muss man dann umsteigen in den normalen Anschlusszug oder einen Bus nach Delhi. Nach unserer Toytrainerfahrung hinauf nach Dharamsala wollten wir nicht wieder stundenlang durch die Hügel zuckeln.

    An der Bergstrasse entlang sahen wir mehrere teuer aussehende, neue Hotels. Ob hier jemals jemand übernachtet? Nach Chandigarh (von Franzosen reissbrettartig geplante Landeshauptstadt, ähnlich wie Islamabad nur noch zerfallener) gings auf den Highway nach Delhi ... und der macht seinem Namen alle Ehre. Uns kams vor, als ob der Bus auf der mehrspurigen, gut geteerten Strasse nur so dahinfliegen würde. So wenig Geschaukel und so schnelle Geschwindigkeiten waren wir nicht mehr gewohnt. Wir lernten einen jungen Mann kennen. Er studiert in Chandigarh und war auf dem Weg in seinen Heimatort. Er erzählte uns von der Arbeitslosigkeit. Trotz guter Uniausbildung ist es schwer, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu finden. Hier das gleiche Problem wie in Deutschland ... der Einstieg ist der schwierigste, nach der ersten Stelle wird's etwas einfacher. Auch sprach er das Mitgift-System an. Er findet es gut, dass die Eltern die Braut ausuchen. Schliesslich bedeutet Heiraten in Indien nicht nur die Verbindung zwischen den Hochzeitern sondern auch die gesellschaftliche Verbindung der beiden Familien. Die stehen dann genauso in der Verantwortung sich gegenseitig als auch dem Brautpaar gegenüber. Liebesheiraten wären schon auch möglich. In so einem Fall hätten die Brautleute dann aber nicht die Unterstützung der Familien und damit nicht die in Indien so wichtigen sozialen Strukturen hinter sich. Nur das System der Mitgift findet er überholt. Heiraten sei einfach zu teuer und viele Männer könnten sie sich erst mit Ende zwanzig leisten. Er würde gerne heiraten, hat aber das Geld nicht dazu.

    Diese Sache mit der Mitgift scheint in den verschiedenen Gegenden Indiens unterschiedlich gehandhabt zu sein. Von meinen letzten Reisen durch Indien wusste ich, dass mit dem Brautpreis noch lange nicht alles bezahlt ist. Die Schwiegerfamilie kann immer wieder Geld, Schmuck, Fernseher usw. verlangen. In Rajasthan bezahlt der Brautvater an die Familie des Bräutigam, hier im Nordosten bezahlt der Bräutigam an die Braut .... und ich las im "India Today" einen Bericht über Stämme im Chambatal, bei denen sich alles nur noch darum geht, eine Braut zu ergattern. In den kleinen, rückständigen Dörfern sind Frauen in der Minderzahl. Auf 1000 Frauen kommen nur 780 Männer. Väter vom selben Volksstamm, die in den Städten wohnen, wollen ihre Töchter nicht an die "Hinterwäldler" verheiraten. Da sich in der alten indischen Tradition Heiraten und Fortpflanzung der zentrale Punkt im Leben eines Mannes sind, ist es im Chambagebiet nicht unüblich, dass mehrere Brüder sich eine Braut teilen. Es wurden die unterschiedlichsten Geschichten berichtet. Von einer Frau, die sich weigert die Hausarbeit zu machen. Sie könne nicht den Haushalt versorgen UND die sexuellen Wünsche der drei ältesten Brüder befriedigen. Eine Frau meint, sie hätte keine Wahl und ja ein gutes Leben mit den zwei Brüder. Eine andere ist gleich mit sechsen verheiratet, im Alter von 5 - 28 Jahren. Sie meint, es läge ausschliesslich an ihr, welchen der erwachsenen Brüder sie in ihr Bett lässt. Viele der Männer seien angeblich aus Frust über die Ehelosigkeit zu Banditen geworden. Die Polizei greift mittlerweilen zu unorthodoxen Mitteln. Sie vermittelt Frauen zum Heiraten unter der Bedingung, dass die Männer ihre Waffen niederlegen und zu Recht und Gesetz zurückkehren. Das Angebot wurde schon des öfteren angenommen. Frau gegen Gesetzestreue.

    Nach erstaunlich kurzer, heisser Fahr kamen wir in Delhi an. Der Highway führt erst mal an einer riesigen Müllanlage vorbei. Der stapelt sich meterhoch, überlagert die Böschungen des vorbeifliessenden Flussarmes, Greifvögel kreisen über ihm, Menschen laufen auf ihm herum, suchen noch zu brauchende Dinge oder arbeiten. Über allem modriger Gestank. Wir wunderten uns über die hunderte Meter TuckTuck- und Busschlangen, die vor einer Tankstelle warteten. Die meisten Fahrzeuge waren grün-gelb gestrichen und hatten einen Aufkleber mit CNG am Heck. Die Auflösung des Rätsels erfuhren wir später im Taxi. Am Busbahnhof angekommen kauften wir ein Taxiticket an einem PrePay-Schalter. Praktische Einrichtung. Man geht zu so einem Häuschen, teilt das gewünschte Ziel mit, bekommt den Einheimischenfahrpreis genannt + 10% PrePayTax, eine Quittung ausgestellt und die Nummer des nächsten Taxis/TuckTuck genannt. Dessen Fahrer bekommt dann die Quittung, kann den Betrag später an einem beliebigen PrePaySchalter einlösen. Viele Taxler in Delhi mögen diese Einrichtung gar nicht, können sie dadurch den meist unwissenden Ausländern nicht mehr mehr Rupees als den Normalpreis abknöpfen. Einmal am Bahnhof bot mir ein Taxler unverfroren an "embassy, only 120 Rs, very cheap". Zwei Meter daneben stand Håkan am Schalter und bezahlte 46 Rs, den Normalpreis für die Strecke.

    Unser erster Taxler erklärte uns dann auch die langen Warteschlangen vor der Tankstelle. Delhi hatte ein riesiges Smogproblem. Als ich das erste mal vor 8½ Jahren in die Stadt kam, konnte ich die Sonne nicht sehen vor lauter Abgasdunst. Zur Lösung des Problems wurde vor ca. zwei Jahren CNG auserkoren, compressed natural gas. Bis Ende Sept. 2001 müssen alle öffentlichen Verkehrsmittel, d.h. die Stadtbusse auf allen 300 Linien, Taxis, Minibusse, TuckTucks auf CNG umgerüstet sein. Mietwagen o.ä. die nach diesem Datum noch mit Diesel oder anderem fahren, dürfen nicht mehr in die Innenstadt. Wir waren erst mal beeindruckt. Diskutiert die westliche Welt noch den kürzlichen Ausstieg der USA (produziert 25% der globalen Emissionen) aus dem Kyotoprotokoll, wird in diesem Schwellenland Indien (das keiner so richtig ernst nimmt) Nägel mit Köpfen gemacht und das Smogproblem einer Grossstadt ernsthaft bekämpt. Leider ist diese Aktion typisch für Indien. Eine Regierung hat eine gute Idee, erlässt ein Gesetz, kümmert sich aber nicht um die Organisation der notwendigen Infrastruktur, die gute Idee wackelt bedenklich. Im Falle Delhi machte die Stadtverwaltung den Tankstellen nicht genügend Druck. Die glaubten dem Beschluss erst mal nicht, in typisch indischer "warten wir erst mal ob was passiert" - Mentalität. Die Folge sind: Im Grossraum Delhi gibt es erst 74 Tankstellen mit CNG (gebraucht werden mindestens 130) und die Verkehrsmittel stehen bis zu zwei Tagen Schlange. Kein Wunder, dass viele CNG-TuckTucks höhere Preise verlangten. Einen Tag fahren, zwei Tage warten, einen Tag fahren ... Das Thema CNG wird in den Zeitungen rauf und runterdiskutiert. Opel bietet den ersten Corsa an mit wahlweise Benzin oder CNG (Nachteil: die Gasflasche besetzt den Kofferraum). Trotz aller Diskussionen ist eines unübersehbar ... man kann in Delhi wieder atmen und den blauen Himmel sehen. Wir waren überrascht, wie sauber die Stadtluft war :-)

    Wir fanden ein mittelbilliges Zimmer mit sog. Aircooler. Es war brutheiss in der Stadt, täglich um die 40 Grad und schwül. Weder Ventilator noch Aircooler hatten irgendeinen Effekt auf die Temperatur in unserem kleinen Zimmer, letzterer machte nur Krach. Fast jeden Nachmittag duschte der Monsun literweise Regen auf uns, Abkühlung brachten die Schauer leider nicht, nur noch mehr Schwüle.

    Wir organisierten alles Geplante in 1½ Tagen. Manchmal sind wir richtig effektiv. Das Dumme war nur, dass wir die restl. 3 Tage bis zur Ankunft der Hjelmströms irgendwie rumbringen mussten und unser Zimmer nicht besonders gemütlich war. Also bummelten wir jeden Tag einige Stündchen durch die verschiedenen Geschäfte am Connaught Place. Håkan schaute nach neuen Schuhen (200 DM für Plastikkopien!!) und ich bildete mir einen Designer SalvarKota ein (indischer Hosenanzug, Suche war erfolgreich :-). Ist schon verrückt. In München gehe ich auch nicht auf die Theatinerstrasse zum Einkaufen, hier in Delhi in Designer Sarigeschäfte. Ich liebe dieses Schwelgen in Farben und Mustern. Musste mich zusammenreissen, dass ich nicht noch einen oder ... Saris kaufe (hab ja erst drei zu Hause liegen).

    Klimatisierte Geschäfte und immer wieder Pausenstop bei McDonalds liessen uns die Tageshitze überleben. Ja, mittlerweilen gibts auch in Indien McD's. Lange, lange hat die Firma keinen Fuss auf indischen Boden bekommen (war schon vor 8 Jahren Thema). Nun ist Rind gegen Büffel oder Hammel ausgetauscht, der BigMäc heisst Maharaja und alles schmeckt wie in Deutschland auch. Angenehmerweise gibt es mehr vegetarische Burger hier. Da wir in Delhi kein richtig ansprechendes indisches Essen fanden (zu Tode gekochte Linsenpampe mit grauem Reis konnten wir nicht mehr sehen) assen wir halt Burger (die konnte nach vier Tagen ich dann nicht mehr sehen).

    Auf unseren Streifzügen durch die Marktstrassen der Innenstadt (wir kennen nun alle Schuh- und die meisten der Sarigeschäfte) stolperten wir über das neue State-Emporium. Das sind staatliche Kaufhäuser in denen man von Kleidung bis Möbel einfach alles bekommt. Das neue Hochhaus am Janpath war der Hit. Auf vier Stockwerken sind alle nur erdenklichen Kunst- und Gebrauchsgegenstände aus allen möglichen Teilen Indien zusammen getragen. Es war wie ein riesiges Museum. Schon vor dem Eingang stehen 2m hohe Götter aus Stein gemeisselt. Das Erdgeschoss ist dann voller Statuen von mini bis riesengross. Elefanten, Kamele, Ganesh, Shiva, Parvati kann man in Stein, Holz, verschiedenen Metallen, Marmor, Speckstein und Alabaster kaufen. Mit und ohne Einlegearbeiten, graviert, bemalt und und und. Es gibt eine riesige Auswahl geschnitzter Schatullen in Holz, Tabletts, Essbesteck, Servierwägen. In einer Ecke finden sich Vasen aus Metall, Silber und Alabaster, Besteck und alle möglichen Haushaltsausstattungen in Silber und anderen polierten Metallen. Die Möbelabteilung haute uns um. Kleine und grosse Tische aus Marmor oder Edelholz, mit Einlegearbeiten aus Halbedelsteinen. Eine Tischplatte hatte vertieften Facetten, die mit Messing und runden Halbedelsteinen eingerahmt war, darauf gehörte dann eine Glasplatte um den Tisch benutzbar zu machen. Tische und Stühle mit Holzeinlegearbeiten fanden sich, unzählige runde und mehreckige Beistelltischchen. Eine Couchgarnitur war total abgefahren. Zweisitzer und zwei Sessel, niedrig gebaut aus versilbertem Metall, Sitze und Lehnen aus royalblauem Samt .... es stand "sold" auf der Garnitur. Auch sahen wir einen Inder, der mit einem Angestellten des Emporium diskutierte, wie sie wohl den Halbedelsteintisch zu ihm nach Hause transportieren. Wir waren völlig hin und weg, fasziniert von all den Farben, Formen und Stilen und noch mehr fasziniert davon, dass es hier Menschen gibt, die sich solche glitzernden Möbel auch noch kaufen. Billig waren sie ganz und gar nicht. Eine Ecke stand voller Lampenfüssen, wieder aus allen möglichen Metallen, Pappmaché, Holz, geschnitzt, bemalt, mit Einlegearbeiten. Sogar eine schmale Sitzbank aus lackiertem Pappmaché sah ich. Die Kleiderabteilung war dann nicht so berauschend und die Preise völlig überteuert. Wir fanden noch eine Abteilung mit Büchern, eine mit allen möglichen Arten von echtem und unechtem Schmuck, eine mit hunderten von kleinen und mittelgrossen Stein- und Alabastertierfiguren. Einige Stunden lang waren wir auf Entdeckungsreise in diesem Emporium. Indien ist schon eine Sache für sich. Die Inder trauen sich auch heute noch, in Farben und Formen ausgiebig zu schwelgen und sind doch zum Grossteil eine moderne Gesellschaft des 21. Jahrhunderts. Je mehr etwas glitzert, je farbenprächtiger etwas ist, desto mehr lieben es die InderInnen. Einfach verrückt. Übrigens fanden auch Håkan und ich Möbel, die uns gefielen und die wir dann später auch kauften ... :-)

    Diesmal fand ich Delhi viel entspannender als ich es in Erinnerung hatte. Wahrscheinlich auch deswegen, weil ich keinen Druck zum Sightseeing hatte. Bis auf das Nationalmuseeum sah ich alles, was mich interessierte schon beim meinem ersten Besuch. Zum Glück. Seit Nov. 2000 gelten in Indien nämlich unterschiedliche Eintrittspreise für Ausländer, Asiaten und InderInnen. Wofür InderInnen 5 Rs bezahlen, wollen sie von Ausländern 5 U$. Kostete ein Palast 10 Rs, kostet er für Ausländer nun 15 U$. Das Taj Mahal kosten nun 20 U$ (und das ist dieses Bauwerk wirklich NICHT wert, war schon zweimal drin. Weiss irgendjemand ein Museum in Deutschland, das 45 DM Eintritt kostet??) Das Tourismusministerium begründete die unterschiedlichen Preise damit, dass es Geld für Renovierung und Ausgrabungen brauche. Da wundert man sich über Zeitungsberichte aus Gujarat, dass historische Stätten dem Verfall preis gegeben werden weil dem Archaeological Survey of India das Geld zu ihrer Erhaltung fehle. Denke ich an all die vielen ausländischen Reisegruppen die brav die diskriminierenden Eintritte bezahlen, so denke ich dass der Tourismusminister und seine Mannen oder Frauen wohl einen schönen Nebenverdienst haben. Für mich/uns heisst die neue Eintrittspreispolitik, dass wir in kein Museum und und keine Burg hineingehen, die die völlig überzogenen Preise verlangt. Wir müssen die Tourismuspolitik nicht auch noch unterstützen.

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Familienbesuch aus Schweden

    Auto und Chauffeur waren organisiert ... am 23.7. holten wir Håkans Eltern und Geschwister vom Flughafen in Delhi ab. Sie wollten uns unbedingt in ihrem Sommerurlaub besuchen. Und da wir gerade in Indien unterwegs waren, kommen sie eben alle vier nach Indien. Am Flughafen ärgerten sich Håkan und ich erst mal über noch eine neue Bürokratieerfindung. Um in die Ankunftshalle zu kommen muss man seit neuestem ein Ticket für 50 Rs. (2,50DM) kaufen. Frechheit. Wir kauften natürlich keines, versuchten erst zu umgarnen, protestierten lautstark bei Wächtern und Aufsicht. Ohne Erfolg. Ausnahmen von offiziellen Regeln gäbe es hier nicht .... So wartete Håkan am einen Ausgang, ich an dem anderen, und wie ich da so an der Türe stehe, hineinluge und dem Wachmann erzähle, dass ich meine Familie abhole ... winkt dieser mich nach 10 Minuten durch, ohne Ticket.

    So schön das Wiedersehen mit meiner Schwiegerfamilie war, so stressig waren die gemeinsamen 2½ Wochen. Das Losfahren vom Flughafen weg war lustig. Håkans Vater fand es "cool" auf dem Beifahrersitz. Die anderen waren recht erschrocken vom dichten, oberflächlich betrachtet chaotischen Verkehr. Sie bemerkten Kinder am Strassenrand, Kühe am Mittelstreifen, gelb bemalte Blätter von Sträuchern die hinter einem gelben Zaun standen. All die kleine Dinge, die für Håkan und mich schon selbstverständlich zum Strassenbild gehörten, fiel ihnen auf, liess sie verwundern und erstaunen. War interessant, dass Strassenleben wieder mit unvoreingenommenen Augen zu sehen. Dann kam allerdings die Konfrontation der unterschiedlichen Kulturen. "Kulturschock" breit. Keiner von ihnen war vorher je in Asien (nur die Eltern einmal in Thailand auf Chartertrip), geschweige denn in Indien. Sie waren zunächst auch nicht besonders am Land Indien interessiert, kamen sie doch hauptsächlich, um uns beide wiedersehen. Ohne vorher sich mit diesem Land und seinen Kulturen beschäftigt zu haben und mit mitgebrachten persönlichen Problemen war Indien dann verständlicherweise erst mal die totale Überforderung. Dieses quirlige Land, in dem die Logik verkehrt herum zu sein scheint, schwedische Strukturiertheit und unser Wunsch, ihnen "unser" Indien zu zeigen mit dem geringstmöglichen Orgastress, prallten aufeiander, passten gar nicht zusammen. Autos mit Chauffeur und gute Hotels hatten Håkan und ich während der letzten vier Wochen an allen geplanten Reisezielen ausgekundschaftet, die Route mit ihnen vorab besprochen, um damit nicht deren Zeit während ihres Urlaubs unnötig zu vertrödeln. Als wir dann losfuhren, mussten wir feststellen, dass manches an Organisation nicht passte oder anders gewünscht wurde, was sie in Schweden zwar schon besprochen, uns aber nicht vorab mitgeteilt hatten. Fast täglich war spontanes Umorganisieren angesagt. Für Fahrten, die Håkan und ich in 8 h im Bus absitzen, brauchten wir zwei Tage. Der Zustand von Strassenhunden und Arbeitspferden schien mehr zu interessieren, als die Lebenumstände der Menschen. Dann sind Schweden auch noch eingeschworene Liebhaber von Shorts, und die wurden dann auch fleissig getragen ... trotz unserer vorherigen Infos über Kleiderordnung und was in Indien als höflich gilt und was nicht ... autsch. Mein nochmaliges darauf aufmerksam machen wurde mir prompt übel genommen. Ich hatte nur das Problem, das ich als Gast in einer fremden Kultur es als meine Pflicht ansehe, deren gesellschaftliche Regeln zu respektieren und sie einzuhalten, soweit ich sie weiss und erkenne. In Fettnäpfe tritt man eh, auch mit noch so viel Hintergrundwissen. Die Realität lehrte mich wieder einmal, dass nicht alle Reisende so denken, es dabei keinen Unterschied macht wie nahe sie mir stehen und ich mit dem Gefühl der Peinlichkeit zurechtkommen musste.

    Zu sechst fuhren wir fast die gleiche Runde, die Håkan und ich in den vergangenen vier Wochen drehten.

    Zuerst gings nach Amritsar. Wir hatten ein neu renoviertes Hotel gebucht. Der Besitzer, ein untersetzter Punjabi mit blau leuchtendem Turban begrüsste uns überschwenglich. Die Leidenschaft, mit der er und seine Bediensteten sich um uns kümmerten, war Håkan und mir eindeutig zu viel. Wir bekamen täglich frische Handtücher und frische Seife. Das war einfach zu viel des Guten für uns beide.

    Wir gingen mit unseren Schweden zu Fuss durch die Altstadt zum goldenen Tempel, nahmen Radlrickshaws zum Heimweg. Das nächste Abendteuer für sie. Der goldene Tempel und die warmherzige Freundlichkeit der Punjabis faszinierte auch unsere "Neulinge".

    Einen Abend fuhren wir mit ihnen an die pakistanische Grenze, die selbe über die Håkan und ich nach Indien kamen. Das Grenztor wird dort jeden Abend um sieben Uhr mit einer Zermonie geschlossen und die Fahnen beider Länder eingeholt. Uns erinnerte das Ganze stark an indische Masalafilme. Viel Pomp und Kitsch ;-) Auf der indischen Seite ist halbkreisförmig eine Tribüne aus Beton gebaut. Als Ausländer durften wir auf dem VIP-Teil Platz nehmen, nahe des Tores. Tausende, festlich gekleiderte InderInnen tummelten sich auf dem Platz vor der Grenzlinie, machten Fotos mit sich und den herausgeputzen Grenzern. Es war ein buntes Bild. Auf der pakistanischen Seite waren die männlichen Besucher eindeutig in der Überzahl, das Publikum insgesamt weniger und in schlichtere Farben gekleidet. Wechselweise wurden Sprechchöre hin- und herüber gesungen, gebrüllt und geklatscht. Von der einen Seite kam "es lebe Hindustan!", von der anderen "es lebe Pakistan!". Ich dachte daran, wie leicht es in dieser aufgeheizten Stimmung wäre, die beiden Seiten gegeneinander aufzuwiegeln, euphorische Stimmung in Agression umzuleiten. Mir war's zwischenzeitlich etwas mulmig zumute. Dann die Grenz-Schliessungs-Zermonie. Die Grenzer hier sind die kräftigsten, grössten, stattlichsten der beiden Länder. Ihre Uniformen mit den Turbanen blitzsauber und gestärkt, die Schuhe poliert. Syncron auf beiden Seiten koordiniert reihten sich Trompeter, Parade und Stechschritt aneinander. Der höchste Offizier warf seine Beine seitlich und nach vorne über Hüfthöhe hinaus, reckte seine Schultern mit übertriebener Geste noch ein Stückchen höher und machte ein sehr wichtiges Gesicht. Ich dachte, er renkt sich sein Hüftgelenk aus. Je lauter die Stiefel krachten, desto lauter feuerte das Publikum ihre jeweiligen Militärs an. Die koordinierten die Schritte über mehr als 100 m per Blickkontakt. Unter den würdevollen Mienen, schienen beide Seiten die ganze Aktion mehr als Show als als ernstzunehmende Parade zu sehen. Wie menschlich an dieser einst so blutigen Grenze :-). Nach vielen vielen Minuten standen die Uniformierten beider Seiten auf ihren Plätzen, zwei von ihnen zogen in Zeitlupe die Fahnen hinunter, peinlich darauf bedacht, dass die oberen Kanten auf genau gleicher Höhe blieben. Die Fahnen wurden zusammengelegt, das Eisentor mit einer letzten übertriebenen Geste zugeknallt, die Fahne im Stechschritt in ein Haus gebracht. Die Show war vorbei und die Menschenmassen strömten zu ihren Taxis und Bussen. Diese Zermonie war die 45 Minuten Anfahrt mehr als wert. Gelungenes Theater ;-)

    Von Amritsar fuhren wir hinauf nach McLeodGanj. Wir stellten fest, dass das Kangrafort für uns 5$ kostet und gingen nicht hinein. Nach viel Renovierung sahen diese mit Gras und Büschen überwucherten Ruinen hier nicht aus. Im Ort selbst traf ich Ute wieder. Zum Abschied tranken wir gemeinsam mit zwei tibetischen Freunden eine Flasche Rotwein auf unserem Balkon (hatten wir mitgebracht bekommen, yhammy). Sie fuhr einen Tag später nach Delhi, um nach Tibet zu fliegen. Wir blieben in Kontakt :-))

    Hier oben regnete es immer noch jeden Tag. So war an längere Wanderungen nicht zu denken. Wir gingen zum Wasserfall, besuchten den Haupttempel. Einen Tag fuhr ich mit Håkan's Mutter gemeinsam zum Norbulinka Institut. Die Anlage ist eine verkleinerte Kopie des Norbulinka Klosters in Tibet. Durch ein reich verziertes Eingangstor führten Wege durch einen wunderschön angelegten Park zum Tempelbezirk. Der Haupttempel in der Mitte ist etwas erhöht, innen wunderschön mit Frescos ausgemalt. In einem Seitengebäude findet sich das Puppenmuseum. Mönche des hiesigen Klosters basteln ca. 20cm grosse Puppen, kleiden sie in verschiedene tibetische Trachten aus Brokat- und Seidenstoffen, verziert mit echten Türkisen und Korallen. Alles in Miniatur. In verschiedenen Vitrinen sind Szenen aus dem früheren tibetischen Leben dargestellt. Eine Prozession, ein Picknick, tibetisches Theater, Szene aus dem Leben eines Heiligen. Entsprechende Erklärungen dazu fanden sich in englisch und tibetisch. Ich fand das ganze Institut wunderschön. Die warme Atmosphäre tat meiner Seele gut.

    Dann die zweitägige Fahrt nach Manali. Unser Fahrer nahm die direkte Route entlang des Gebirges. Für Håkan und mich war diese Landschaft neu. Ich fand sie viel schöner als den Umweg beim ersten Mal, sahen wir doch auf der einen Seite Felsengipfel (ähnlich wie das Estergebirge bei Garmisch) und auf der anderen grüne Felder und kleine Dörfer. Über Nacht hielten wir in der Nähe von Mandi, in Rewalsar. Dieser Ort besteht haupsächlich aus buddhistischen und hinduistischen Tempeln und Klöstern. Wir hatten ihn bei unserer ersten Fahrt nach Manali durchquert und sagten, wenn schon halten dann hier. Es war ein Volltreffer. Die rotbemalten Wände der Klöster leuchteten über dem kleinen, heiligen See. Dieser wird von beiden Religionen verehrt. Hunderte Karpfen tummelten sich an seinen Ufern, hofften auf Futter von indischen Touristen und bekamen es auch (trotz "bitte nicht füttern"-Schildern). Håkan und ich drehten eine Runde um den See, sahen uns zwei der Klöster von innen an. Am nächsten Morgen fuhren wir den Berg hinauf zu einer heiligen Höhle. Eine grosse Buddhafigur ist in einer Nische in den Felsen gehauen. Gebückt durch den Eingang der Höhle hindurch, Wasser tropft von Wänden und Decke, Buddhafiguren aus Stein, teils bemalst, teils mit Gravierungen verziert. Im kleinen Kloster daneben wohnen Nonnen. Wir bekamen Tee serviert und hörten einer Puja zu. Endlich wieder in den Bergen. Weitab von Menschen- und Strassenlärm. Dieser Fleck hier oben mit seinem kleinen See, Dorf und Hügeln lud zum Bleiben und Wandern ein. Leider hatten wir nur ein paar Stunden Zeit bis zur Abfahrt. Uns beiden wurde klar: wir müssen so bald wie möglich wieder wandern gehen (sollte noch einige Zeit dauern).

    Auch in Manali regnete der Monsun noch fleissig. Allerdings sahen wir beim zweiten Besuch endlich mal die umliegenden Berge (zumindest am Morgen). Aus unseren ursprünglichen Tourenvorschlägen nach Spiti oder Leh wurde nichts. Unsere Schweden waren schon übervoll mit Eindrücken von der bisherigen Fahrt. So blieben wir einige Tage in Manali. Ausruhen war angesagt.

    Håkan's Vater, Håkan und ich fuhren einen Tag hinauf auf einen Pass, typisch indisches Ausflugsziel. Trotz mangelnder Sicht (wir fuhren direkt in die Wolken hinauf) und Eiseskälte (auf knapp 4000 m) war die Landschaft dort hinauf einfach toll. Ich bekam einen ersten Eindruck, wie's wohl hinauf nach Ladakh aussieht ... Bergwiesen voller Blumen, schroffe Felsen über uns, Wasserfälle, Yaks beim Grasen im Nebel, kleine Gletscherzungen sichtbar. Licht und Wolken zauberten eine Fabelwelt.

    Nach einigen Tagen fuhr Håkan's Familie dann mit dem Auto zurück nach Delhi, wir beide nahmen den Bus (wir wollten in einem Ruck durchfahren). Die Busfahrt dauerte eine halbe Ewigkeit. Kurz vor Mitternacht kamen wir wieder in der Hauptstadt an. Unser TuckTuck zum verabredeten Hotel wurde dann auch glatt von einer Polizeisperre angehalten. Die Polizisten meinten, wir sollen aussteigen, ihnen unsere Pässe und Rucksäcke zeigen. Wir taten beides natürlich nicht. Es stank meilenweit nach Bakshish und sonstigen Unannehmlichkeiten. Da auch ihr eindringliches Fragen nach "any items?" (damit waren wohl Drogen gemeint) nichts brachte und wir beide ruhig und höflich blieben, liessen sie uns nach ca. 10 Minuten weiterfahren. Uff. So einen Schmarrn mitten in der Nacht brauchten wir wirklich nicht. (die Strassenpolizei hat keine Befugnis, ohne triftigen Grund Gepäck oder Pässe von Touristen zu kontrollieren; dafür sind die Grenzer zuständig)

    Die Tage in Delhi waren diesmal nicht mehr so heiss. Zumindest hatten Håkan und ich diesen Eindruck. Drei Wochen Monsunregen kühlte wohl doch ab. Durch Stadt und Läden bummeln war angesagt. Håkan und ich kauften unsere vorher erspechteten Möbel und unsere Schweden brachten sie trotz Übergewicht per Flieger nach Europa. Wir waren alle ganz schön aufgeregt, ob es ohne Probleme klappt. Es klappte.

    Bei unserer Rundfahrt durch Delhi besuchten wir das Ghandi Museum. Das Haus, in dem er lange Zeit in Delhi lebte und in dessen Garten er erschossen wurde, ist heute eine Gedenkstätte mit Kapelle, Gedenkstein, Museum. Die Fusspuren seines letzten Ganges durch den Garten sind aus Beton gegossen. Im Museum finden sich neben vielen vielen Fotos und Tafeln auch ein Raum mit Glaskästen, in denen Ghandis' Leben szenisch mittels Puppen dargestellt ist. Die letzte Szene zeigt die Verbrennung seiner Leiche (Hindubeerdigung), umringt von unzähligen trauernden Menschen. Vom gemalten Himmel sehen aus Wolken Shiva, Jesus, Buddha, Allah und ein Sikhheiliger auf den Mahatma herab ... .

    Ich wurde wieder von diesem schlichten, hellsichtigen Mann berührt. Voller Energie ging er unbeirrt den Weg, an den er glaubte. Unserer augenblicklichen, nach Krieg gierenden politischen Welt fehlt ein friedensstiftender und friedensbewahrender Ghandi. Manchmal wünsche ich mir, dieser Geist würde in hunderttausendfacher Gestalt wieder geboren. Vielleicht ist er dies und wir erkennen ihn nur nicht ...

    Der Familienurlaub ging zu Ende. Ob's den Hjelmströms in Indien gefiel? Ich weiss es nicht. Nach 2½ Wochen waren wir alle recht geschlaucht. Die Familie von den vielen vielen fremden Eindrücken, wir von dem uns fremden Reiserhytmus. In einer email danach schrieben sie, dass ihnen die Reise von Schweden aus betrachtet fast unwirklich vorkam.

    Beim Abschied am Flughafen ärgerten wir uns dann noch einmal über die neue indische Bürokratieeinfälle. Zwecks der "Sicherheit" dürfen ins Abfluggebäude nur Personen mit Flugscheinen. Alle anderen müssen draussen bleiben. Auch beschweren beim Flughafenmanager half nichts ..."die Vorschrift kommt vom Polizeiminister und wir können auf der entsprechenden Behörde in Delhi beschweren". Das half uns in diesem Augenblick wenig. So fiel die Verabschiedung eher kurz aus. Aber wir sehen uns ja in ein paar Monaten in Europa wieder.

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Und noch 10 Tage in Delhi

    Als wir wieder zu zweit waren, zogen Håkan und ich um in ein gemütliches, für unsere Verhältnisse sehr luxuriöses Hotel in einem anderen Stadtviertel. Wir wollten uns hier ein paar Tage Urlaub gönnen, unseren Rhytmus wieder finden. Es kam anders als geplant ... unsere Immunsysteme wollten auch Urlaub :-(

    Seit zwei Monaten hatten wir immer wieder Durchfall und entschieden, uns in einem Krankenhaus in Delhi untersuchen zu lassen. Eine Bekannte empfahl uns ein gutes, wir verbrachten Stunden beim Arzt und im Labor. Raus kamen die schon vermuteten Amöben und Lamblien. Dummerweise hatte das Labor unsere Stuhlkultur versandelt, genau das was wirklich interessant war. Typisch indisch. Gearbeitet wird nur auf Anordnung von ganz oben und dann auch noch ohne Gehirn. Ich war sauer. Half aber nichts, da wir schon Antibiotika schluckten. Auskurieren in unserer Luxusabsteige war angesagt ... da schnappte sich Håkan den in Delhi umgehenden Grippevirus auf, hatte tagelang hohes Fieber. Er wieder halbwegs gesund, lag ich mit Fieber im Bett. Es war nur noch demotivierend. Grossstadt, Lärm, Fast Food, Hitze. Ätzend!!

    Was Positives: am Abend vor dem grossen Krischnafest zog eine lange Prozession durch unser Stadtviertel. Ich hörte die Musik im Zimmer uns sauste hinaus auf die Hauptstrasse. Endlich wieder originales Indien! Vom nahen Krischnatempel zog eine km-lange Prozession durch die Strassen. Blaskapellen (umringt von Kronleuchterträgern, der Strom dafür kam aus lärmenden und stinkenden Generatoren am Ende jeder Kapelle), Trachtengruppen, Reiter, geschmückte heilige Kühe, Saddhus (heilige Männer), reich verzierte Wägen mit Götterfiguren (manche wurden von Personen dargestellt). Auf einem Wagen sass vor einer Götterstatue ein Priester, der gezuckerten Puffreis und Farbpulver an die Zuschauer verteilte. Und dann kamen glatt auch noch zwei bemalte Elefanten des Weges! Ich war wieder mal hin und weg, stand über eine Stunde lang am Strassenrand, genoss die Farben und Lichter in der Nacht ... und die typisch indische Blechmusik auf solchen Festen (Ohrengraus ;-).

    Lesen, Kinofilme ansehen, Klimaanlage, Schlafen. Nach 10 Tagen waren wir wieder fit und wollten nur noch raus aus Delhi, raus aus dem Westen Indiens. Nochmal nach Manali hinauf, um endlich wenigstens Spiti zu sehen? Nochmal die gleichen Strassen hinaufzuckeln? Dafür hatten wir keine Nerven mehr. Wir machten uns auf in Richtung Darjeeling.

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Überflutetes Varanasi

    Wir fuhren mit dem Nachtzug in diese berühmte Stadt. Berühmt ist sie wegen ihrer Universität Benares (die erste Uni, in der man schon vor hunderten von Jahren Sanskrit studieren konnte) und wegen der heiligen Ghats (Badestellen) an der Ganga (im Deutschen falsch ins männliche als " der Ganges" übersetzt). Die führte allerdings meterhoch Hochwasser. Ich war gespannt, wie sich diese Stadt seit meinem ersten Besuch vor 8½ Jahren veränderte. Zu Fuss gingen wir am frühen Morgen vom Bahnhof hinunter in die Altstadt. Wir frühstückten in "meinem" alten Hotel, ein englisches Kolonialhaus mit Garten, suchten uns dann durch die kleinen Gassen zum Sinthia Ghat. Dort kannte Håkan ein Hotel direkt am Fluss. Der einfache Weg entlang der Ghats war uns versperrt. Viele Tempel und beinahe alle Badestufen entlang des Flusses waren unsichtbar in braunen Fluten versunken. So mussten wir uns durch das Gewirr von kleinen, verwinkelten Gassen suchen ... und bezogen am Ende ein Zimmer mit Balkon im vierten Stock eines alten Hauses direkt an der Ganga, der Mutter allen Lebens :-)

    Die Altstadt Varanasis faszinierte mich auch diesmal. Alte Häuser, Tempel, Schreine, heilige Hausecken, kleine Läden und immer wieder Tempel. Dazwischen suchen Kühe in verschiedenen Grössen sich ihre Wege. Da die Kühe hier besonders heilig sind, weicht ihnen aller Verkehr aus, Menschen wie Fahrzeuge. Eine grosse schubste einmal Håkan zur Seite. Der stand an einem Laden und kaufte ein ... aber war im Weg. Dummerweise regnete es immer wieder. Die Gassen waren ein Gemisch aus Pfützen, Schlamm, nassen Kuhhaufen und Müll. Trotz der Schwüle war ich froh um meine hohen Bergschuhe. Traurigerweise frisst sich das feuchtwarme Klima und die schmutzige Luft in die alten Hauswände und Türme. Renovierung oder Instandhaltung sind hier Fremdwörter.

    Von unserem Balkon sahen wir hinunter auf die überfluteten Gahts und hinüber zum Krematoriumsghat. Tag und Nacht brannten die Holzhaufen. Sogar Monsunregengüsse löschten die Flammen nicht. Im Fluss waren immer wieder die Körper von toten Kühen zu sehen. Manchmal sassen Krähen auf ihnen und pickten im Aas. Menschliche Körper sahen wir zum Glück nicht. Dafür waren wir zu weit vom Wasser weg. (Kinder bis zu zwei Jahren werden in der Mitte der Ganga "beerdingt". Manche Arme haben zu wenig Holz für die Verbrennung ...). Leichenzügen begegneten wir nur zwei. Anscheinend war der Monsun die falsche Zeit zum Sterben.

    Jeden Abend wurden am Flussufer Pujas gefeiert, Lichterschiffchen ins Wasser gesetzt. Einmal sahen wir auch eine beleuchtete, kleine Götterfigur den Fluss hinunter treiben. Von hier oben konnten wir das Geschehen an Fluss und Stufen in himmlischer Ruhe beobachten. Keine Souvenirhändler nervten, keine Bootsvermieter rannten uns hinterher. Nur die Affen waren zwischendurch lästig. Während des Monsuns kommen ganze Clans aus den nahegelegenen Hügeln hinunter zum Fluss. Unser Vermieter hatte uns vor ihrer Agressivität gewarnt und an zwei Wänden im Zimmer fanden sich Affen-Handabdrücke. Ein mittelgrosser Affe kam Nachts immer auf unseren Balkon zum Schlafen. Ich wollte ihn mit einer Wasserfontäne vertreiben. Von wegen! Anstatt wegzulaufen setzte er sich fauchend in meine Richtung in Bewegung ... da flüchtete ich lieber ins Zimmer, verschloss die Türe und gab "unseren" Balkon des Nächtens frei.

    Wir blieben drei Tage, verliefen uns immer wieder in den Gassen, stolperten Nachts ohne Taschenlampe im Finsteren über mitten im Weg liegende Kühe (passierte uns nur einmal, danach gingen wir nie wieder ohne Taschenlampe aus dem Haus - man kann nie wissen wie lange der Heimweg dauert ...), versuchten uns von den vielen Guides und Bootsvermietern nicht nerven zu lassen. Der Wasserspiegel der Ganga sankt langsam wieder, Tempeldächer und Stufen kamen zum Vorschein. Einen Nachmittag fuhren wir zur Universität von Benares. Wir genossen die Ruhe im grossen Tempel, die langen Alleen und grünen Gärten um die Unigebäude, stoberten durch's historische Museeum.

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Offseason in Bodh Gaya

    Uns drängte es weiter und wir machten uns auf den langen Weg nach Bodh Gaya. Eigentlich wäre der gar nicht so lange, wenn es bessere Transportmöglichkeiten nach Gaya (Zughaltestelle) gäbe. Varanasi scheint trotz seiner Bedeutung als eine der heiligsten Städte Indiens verkehrsmittelmässig eine Sackgasse zu sein. Es gibt nur zwei Züge täglich nach Gaya, keinen einzigen Bus. Ein Zug fährt um 5 Uhr morgens, der andere um 4 Uhr nachmittags. Dumm. Wir fuhren mit einem Bummelbus 1½ h lang die 19 km zur nächst grösseren Zughaltestelle in der Hoffnung, einen Lokalzug zwischendurch zu erwischen (bekamen den Tip von mehrern Leuten in Varanasi). Pech gehabt. Dort kamen auch nur die üblichen Züge nach Kalkutta durch. So erreichten wir Gaya erst um neun Uhr Abends, und waren um 10 Uhr erst an unserm Ziel. Bodh Gaya ist zum Glück klein genug, um sich dort auch Nachts noch zurecht zufinden.

    Bodh Gaya, im Bundesstaat Bihar gelegen - an diesem Ort gelangte der ehemalige Prinz Siddharta meditierend unter einem Bod-Baum zur Erleuchtung - die Geburtsstätte des Buddhismus.

    Heute hat dieser Ort zwei Gesichter. Das eine ist das ursprüngliche Bauerndorf. Die Menschen in Bihar sind arm, ihre Häuser klein und unscheinbar. Die meisten Einwohner hier sind Hindus, verehren diesen Ort wegen einer Heiligen, die am Fluss ihren Tempel hat. Ein Pilgerort für Hindus. Das andere Gesicht ist geprägt vom Buddhismus und seinen verschiedenen Schulen (Richtungen). Jedes buddhistische Land ist hier mit einem eigenen Tempel vertreten. Tibet, Bhutan, Myanmar, Japan, China, Thailand, Bangladesch, Vietnam. Umzäunt, mit Toren, Wachpersonal und Öffnungszeiten stehen sie protzig, verziert, vergoldet, geschniegelt zwischen den Feldern. In der Mitte des Ortes findet sich der Meditationsbaum Buddhas, der Wassertank in dem er der Legende nach badete, ein hoher Tempel mit befremdlich hässlicher Statue im Heiligtum und unzähligen kleinen Stupas und Schreinen im Park drumherum. In jedem Tempel waren Schilder zu lesen, die die Besucher zum Respekt mahnten. "bitte Schuhe ausziehen, hier nicht schlafen, nicht laut sprechen, keinen Lärm machen". Wunderte ich mich erst über so viele Regeln war mir deren Sinn bald klar. Bodh Gaya ist im Winterhalbjahr Anziehungspunkt für Buddhisten und Geistsuchende aus hauptsächlich westlichen Ländern, im Sommer ist er Reiseziel von indischen Touristengruppen. Und überall wo indische Sippen Plätze heimsuchen wird geratscht, gegessen, gelärmt, Müll liegengelassen ... und wenn man müde ist, im Schatten der Tempel auf dem Boden geschlafen. Der Aufruf zum respektvollen Verhalten in den Tempeln hatte also durchaus seinen Sinn. Allerdings passten für mich die hohen Mauern und Zäune um die Tempelanlagen mit der Friedensbotschaft der buddhistischen Philosophie gar nicht zusammen.

    Wir blieben zwei Tage, sahen uns jeden buddhistischen und eine alte Shivatempelanlage an, sassen am Rand des Pilgerweges im Schatten und betrachteten das Treiben auf der Strasse. Ich genoss die verschiedenen Stimmungen in den Tempeln. Jeder hatte seine spezielle Aura. Die Stimmung im Ort allerdings schien mir sehr ambivalent. Wir trafen auf einige "Sozialarbeiter", die für Spenden für Schulen und Projekte warben. Ob die echt oder nur Vorwand waren weiss ich nicht, wir besuchten keine der angeblichen Waisenhäuser etc. Aus Gesprächen mit einigen Einwohner hörten wir immer wieder Neid heraus. Den Dalai Lama verehren alle als weisen Mann. Auf die viele Aufmerksamkeit und die vielen Spenden, die die buddhistischen Einrichtungen von den Besuchern hier bekommen, schienen viele eifersüchtig zu sein. Publicity für den Buddhismus - Vernachlässigung der schwierigen wirtschaftlichen Lage der hinduistischen Bevölkerung in der Region.

    Bodh Gaya hinterliess zweigeteilte Gefühle in mir. Die Spiritualität unter dem Bonbaum wollte nicht so recht mit der Protzigkeit der Tempel und dem armen ursprünglichen Dorf zusammen passen.

    Kommenden Januar kommt der Dalai Lama nach Bodh Gaya, um das nächste Kalachakra zu zelebrieren (Puja zur Erhaltung des Weltenrades, sehr vereinfacht ausgedrückt). Mit ihm werden zwischen 200.000 und 500.000 Besucher aus aller Welt erwartet. Berühmtheiten, Esoteriker, Sinnsuchende, Freaks mischen sich dann unter tibetische PilgerInnen, Nonnen, Mönche. Die Region Bodh Gaya hat ca. 12000 Einwohner. Während des Kalachakra wird sich der kleine Ort in eine Zeltstadt verwandeln. Wir werden nicht dabei sein. Unsere Sehnsucht zieht uns woanders hin :-)

    Eine lustige Begegnung hatten wir auch. In einem Cafe gesellte sich eine Engländerin zu uns. Sie war seit zwei Monaten im Ort, besuchte einen Meditationskurs. Håkan und ich waren ihr aufgefallen, weil wir so gesund aussahen! Sie war ganz erstaunt als sie hörte, wir seien schon 10 Monate unterwegs. Manche Menschen haben seltsame Vorstellungen von Langzeitreisenden ...

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Ein Kreis schliesst sich

    Mit Bus/gesteckt vollem Nachtzug/Jeep fuhren wir anschliessend hinauf nach Darjeeling. Håkan und ich lernten uns dort vor knapp drei Jahren kennen. Wir schlossen unseren ersten gemeinsamen Kreis :-)

    Der erste Teil unserer Indienreise war zu Ende. Nun gings wieder hinauf in den Himalaya.

    Indien war diesmal ganz komisch. Hatte ich mich auf mein Lieblingsland riesig gefreut, stellte es sich bald als stressig und die Menschen als nervig heraus. Ich hatte einfach komplett andere Erwartungen von meinem Indien und plumpste unsanft auf den Boden der Tatsachen. Es scheint auch, dass die Menschen im Nordwesten des Landes kühler, geldgieriger, berechnender sind. Diesen Eindruck hatte ich schon vor 8 Jahren in Rajasthan. Punjab und Himachal Pradesh schienen nicht so viel anders zu sein. Je weiter wir nach Osten reisten, desto herzlicher und wärmer wurden die Menschen. Sie fühlten sich schlichtweg ehrlicher an. "mein" Indien schien es also doch noch zu geben. Auch war der Monsun die denkbar schlechteste Reisezeit. Genoss ich Anfangs den vielen Regen sehr (nach der Hitze in Pakistan), hinderte er uns bald in unserem Unternehmungsdrang. Was tun in der wunderschönen Bergwelt von Himachal Pradesh, wenn Wanderwege glitschig wie Seife oder weggespült sind, wir von den Bergen so gut wie nichts sehen, alles ständig nass ist? Nach vier Wochen schon begann der Monsun mich zu nerven. Alles im Rucksack war ständig feucht, Wäsche trocknete nicht richtig oder begann auf der Wäscheleine sauer zu werden. Entweder war es kühl und nass oder schwülheiss und nass. Die Regenwolken schienen uns zu verfolgen. Im Himachal klagten die Menschen, dass der Monsun dieses Jahr zu früh kam, in Darjeeling klagten sie, dass er zu spät begann. Und wir reisten ständig mitten drin. Dumm. Indien im Monsun ist eine Erfahrung. Einmal reicht allerdings. Das nächste Mal kommen wir wieder im trockenen Winter und in entspanntere Gegenden (Süden, Südosten).

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Einige Gedanken zum Schluss

    In Indien scheint eine breitere Mittelschicht zu entstehen. Die Menschen sind besser gekleidet, weniger Kinderbettler auf den Strassen, der alte Ambassador weicht moderneren Automodellen.

    Während wir in Delhi waren, hielten Indien und Pakistan in Agra ihr Gipfeltreffen an. Kurz vorher hatte sich General Musharfaf noch schnell zum Präsidenten gemacht. Somit war das Anredeproblem im Protokoll der indischen Regierung gelöst (demokratische Präsidenten können auf einer Ebene miteinander kommunizieren, Präsident und Militärdiktator weniger ... den Indern sind Amtsbezeichnungen halt wichtig, auch wenn sie nicht unbedingt das beeinhalten was sie aussagen ...). Die Zeitungen waren schon Wochen vorher voller Berichte und Analysen. Als das Gipfeltreffen dann im politischen Desaster endete, wurden die Fehler noch Monate danach hin und hergedreht. Neues kam allerdings bei keiner der vielen Diskussionen herraus. Musharraf in seiner direkten Art ging geradewegs auf das Hauptkonfliktthema Kashmir zu. Dies überforderte den indischen Präsidenten Vajpanee völlig. Der wollte das schwierige Thema (in typisch indischer Manier) vom Gipfeltreffen ausklammern. Sehen sich die Inder doch als arme Terroristenopfer, die sich gegen den mächtigen Islam im Nachbarort nicht wehren können (und verschliessen jedesmal Augen und Ohren, wenn Polizei und Regierung in Kashmir lieber Geld einstreicht anstatt für die Einhaltung ihrer Gesetze zu sorgen). Pakistan bekam während des Treffen positive Publicity und die Inder reagierten wie beleidigte Kinder. Interessante Artikel standen in den Zeitungen. Über einen Kommentar mussten wir schmunzeln. Er beschreibt treffend, was wir während unserer Pakistanreise erlebten: "The problem with the pakistani mindset is that prejudices are mistaken for truth, passion for reason, fundamentalism for religion and myths for history!"

    Indien öffnete vor zwei Jahren seine Grenzen für den intenationalen Handel. War das Land bisher Selbstversorger, konnte sich mit allem selbst ernähren und hatte eine funktionierende Industrie, sieht man nun ausländische Firmen die Einheimischen aufkaufen. Coka Cola z.B. besitzt nun den grössten indischen Getränkehersteller. Das ehemalige billige indische Cola "thumbs up" hat nun den selben Preis wie Coka Cola, wird in die gleiche Flasche abgefüllt, enthält die selben ml. Für die ärmere Bevölkerung ist dieses Getränk heute kaum mehr bezahlbar. Ich frage mich wie lange es wohl dauert, bis die einheimischen Getränkesorten (und andere vormals indische Produkte) völlig vom Markt verschwinden. Die Öffnung der Handelsgrenzen sehe ich mit grosser Skepsis. Zu leicht könnte es passieren, dass das Importe überhandnehmen, dann Indien wieder zum Entwicklungsland abrutscht.

    In Indien passiert alle Entwicklung im Schneckentempo. Regt mich das manchmal auf (Reisverteilung an hungernde Gebiete bleibt wegen mangelndem Logistikmanagement stecken, wichtige Themen werden ohne Ende diskutiert und nichts passiert), wirkt es doch als Schutzmantel gegen internationale Wirtschaftfluktuationen. Börsencrashs in Japan, Europa, USA wirken sich auf die indische erst mal gar nicht, und dann nur am Rande aus. Die Geschwindigkeit der Welt rauscht an Indien erst mal vorbei und hinterlässt nur ein kleines Lüftchen. Als die indische Börse im Sommer in eine hausgemachte Rezession rutschte, zelebrierten die Börsianer samt Familien eine Puja. "Kann nicht schaden" meinten die Herren des Geldhandels ;-)

    Seit Pakistan sahen wir wieder reisende Familien. Oh wie schön !! Am Karakorumhighway trafen wir Australier, die mit Tochter (5J) und Sohn (3J) zwei Monate durch die Berge fuhren. Als die Kinder 1 und 3 Jahre alt waren, radelten die Eltern mit ihnen im Kindersitz von China nach Pakistan hinunter.

    Eine deutsch/amerikanisch/pakistanische Familie verkaufte in Deutschland alles Hab und Gut, bezog mit 5jährigem Bub und Hund einen umgebauten mittelgrossen Laster und machte sich auf den Weg nach Australien. Wir trafen sie in Gilgit. Mit ihrem Riesenvehikel hatten sie Probleme auf die engen Bergstrassen zu passen und die Chinesen wollten sie nur für horrende Summen ins Land lassen. So waren sie via Internet am Organisieren einer Schiffspassage nach Indien oder Thailand.

    In Dharamsala und Manali waren dann eh wieder Kinder aller Grössen und Nationalitäten zu finden. Ich bin immer ganz erleichtert wenn ich solche "unnormalen" Leute treffen. Eine Familie beginnen meint also doch nicht, Träume und Verrücktheiten aufzugeben :-)

    Nach zwei Monaten wieder in Indien stellten sich die ersten Ermüdungserscheinungen ein. Uns zogs eindeutig wieder Richtung Berge und sogar Richtung Europa. Uns wurde klar, wir werden unser 7-Monats- Visum für Indien nicht ausnutzen, sondern uns schön langsam auf den Rückweg nach Europa machen. Geplante Route: Nepal-Tibet-China- Transsibirische Eisenbahn-Fähre nach Schweden oder Zug nach Deutschland. Mal sehen was rauskommt und wie lange wir für den Rückweg brauchen.

    Der erste Indienteil war zu Ende. Unsere Erlebnisse der nächsten Wochen im Himalaya berichte ich Euch im kommenden Travelupdate.

    Liebe Grüsse für heute von
BETTINA

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(C) 2000-2002, Bettina Schmitz & Håkan Hjelmström