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Quer durch den Himalaya, von Südost nach Norden

Zurück in Darjeeling
Wiedersehen mit Pelling und Pemayangtse
Nachhilfe in Kleintierzoologie
Im kleinen Ort Yuksom
Abenteuerfahrt in die Grossstadt
Nochmal einen Tag Darjeeling und Abschied von Indien
Kathmandu wird immer grösser
Wie kommen wir nach Tibet??
Wiedersehen mit Gosainkund
Endspurt nach Tibet

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"Bettina Schmitz" <->
Sat, 16 Feb 2002 14:59:47 +0100
Quer durch den Himalaya, von Südost nach Norden

    Namaste alle miteinander!

    Der zweite Teil unserer Indienreise markierte zugleich den Beginn unserer Himalayadurchquerung. In Darjeeling wollten wir unsere erste Begegnung feiern, in Sikkim diesmal richtig Zeit haben zum Bergsteigen, Höhentraining, alte Bekannte besuchen. Manches kam dann leider anders als erhofft. Aber so isses halt beim Reisen.

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Zurück in Darjeeling

    Mit dem Nachtzug kamen wir früh morgens in Siliguri an, der letzten möglichen Bahnstation in der Ebene bevors hinauf in die grünen Hänge des Himalaya geht. Der Zug war übervoll und stickig heiss gewesen. Wir teilten uns zu zweit eine Liege, an viel Schlaf war nicht zu denken. So stiegen wir morgens recht übermüdet aus dem Zug. Am Bahnsteig erst mal Frühstück (frische Gemüseomelette mit Chapati, lecker) und dann los zu einem klapprigen Jeep. Nach stundenlangem Warten bis der endlich voll war (mit 11 Passagieren + Fahrer, Helfer irgendwo am Dach oder Trittbrett hängend) fuhren wir endlich los. Durch die potthässliche Stadt hindurch, hinein und hinauf in die Teeplantagen.

    TEEPLANTAGEN ... ich hatte ganz vergessen wie wunderschön sie sind! Schon die Ebene zwischen Stadt und Bergen war voll von ihnen. Halbhohe dunkelgrüne Büsche stehen im Schatten hoher Laubbäume, kilometerlang und kilometerweit. Ab und zu sieht man Gruppen von Frauen und Männern in bunten Gewändern beim Teepflücken, einen Korb auf dem Rücken. Dann sah ich zum ersten Mal das weite Tal und die ansteigenden, grünen Hügel im Sonnenlicht. Bei meinem ersten Besuch hier vor drei Jahren fuhr ich die Strecke in dickem Nebel und Nieselregen. Diesmal war der Himmel himmelblau und die Sonne schien angenehm warm auf uns herab. Die Hänge dicht bewaldet oder mit Teebüschen überzogen. Der Blick hinunter in die Ebene, weit bis zum Horizont. Ich konnte meine Augen vor Müdigkeit kaum aufhalten und wollte doch keinen Augenblick dieser Landschaft verpassen. 3½ h dauerte die Fahrt, die letzte Stunde durch Nebel hindurch, es wurde wieder kalt.

    Darjeeling liegt auf 2000 m Höhe auf einem Hügelrücken. Das letzte Mal mochte ich diese Stadt kein kleines bisschen. Ich verlief mich ständig, die vielen kleinen Strassen um den Hauptplatz herum verwirrten mich nur. Das Lagekonzept der Stadt war mir ein völliges Rätsel. Bei unser Hotelsuche querten wir den Rist der Stadt einmal ... und der ganze Stadtplan ergab plötzlich Sinn für mich! Genau dieser Verknüpfungspunkt hatte mir beim ersten Besuch gefehlt.

    So bald wieder hier anzukommen, war ein seltsam vertrautes Gefühl. Ich war neugierig, ob und wieviel sich diese Stadt verändert hatte. Zuerst einmal aber begrüsste uns kalter Nebel. Wir fanden ein neues Hotel (da mein altes im September geschlossen hat, zogen wir nebenan -- der absolute Hit, Besitzerin mit nepalischer Abstammung, ist mit Herz und Seele Gastgeberin, ihr Mann züchtete unterm Dach im vierten Stock Orchideen und alle möglichen anderen Blumen), bezogen ein wunderschönes Zimmer und ich wurde erst einmal krank. Na Bravo. Zur Wiedersehensfeier lag ich mit Bronchitis hustend im Bett. Hitze, Staub und Ventilatorenkälte der letzten Wochen mochte mein Immunsystem anscheinend nicht. Die nasse Kälte hier oben auch nicht. Anstatt unserer vier geplanten blieben wir dann acht Tage in der Stadt.

    Ich wieder halbwegs fit, streiften wir durch die Strassen. Bei "unserem" Cafe Glenary's zelebrierten wir unser erstes Zusammentreffen (vor beinahe drei Jahren) mit Kuchen und echtem Cappucino. Wir schlemmten uns durch unsere Lieblingslokale, probierten neue aus. Und immer wieder Kuchen. Darjeeling ist ein Schlaraffenland für angenehmes Leben. Viele der EinwohnerInnen sind nepalischer Abstammung, entspannt, freundlich, Bergvolk halt. Menschen lächeln freundlich, auch zueinander, ratschen wenn sie sich begegnen, manche grüssten uns kurz und zogen ihres Weges. Kein ständiges "hello" mit dem Hintergedanken "gib mir dein Geld". Die Innenstadt ist autofrei und wunderbar ruhig. Da weder indische Ferien noch Ausländersaison war, waren die Flanierstrassen um den Hauptplatz wenig belebt. Die reinste Entspannung.

    Bei unseren Spaziergängen durch die Stadt sahen wir dann auch, was sich in den letzten drei Jahren verändert hatte. Der Busbahnhof war noch voller, die kleinen Geschäfte des "Supermarket" wieder belebter. Eine Menge neue Häuserblocks stand an den Hängen. Ein schöner alter Park mit Maharadjavilla musste einem Betonbauwerk weichen. Ein neues, grosses Krankenhaus stand im Rohbau hinter dem alten aus britischen Kolonialtagen. Viele viele neue Hotels waren dazu gekommen. Glenary's hatte eine neue Einrichtung bekommen (kühles weiss, das frühere warme Holz gefiel uns besser), neue Restaurants entstanden entlang der Mall. Vieles war aber noch wie bei unserem letzten Besuch. So muss man für das Permit nach Sikkim immer noch zu zwei verschiedenen Behörden laufen (diesmal wurden unsere beiden Namen in geschwungener Schönschrift auf ein gemeinsames Papier gesetzt ;-). Auf dem Hauptplatz Chowrasta stehen noch die Ponys zum Reiten, in einer seiner Nebenstrassen wird noch Fisch verkauft. Und die Touristeninformation hat immer noch nicht mehr Infos als einige Stadt- und Umgebungspläne.

    Leider waren wir während der ganzen Zeit inmitten oder unter dicken, kalten Monsunwolken. War nicht so lustig. Die leuchtenden Gletscher des Kanchendzonga (mit 8598 Meter Höhe dritthöchster Berg der Erde) sah ich nur einmal, um 6 Uhr morgens vom Dach unseres Hotels, für ca. 15 Min. Unsere Vermieterin hatte uns gefragt, ob sie uns wecken dürfe, wenn die Sicht einmal klar wäre. Sie fände es immer so schade, wenn Gäste DEN Berg während ihres Besuches nicht sehen würden. Håkan war an diesem Morgen zu müde zum Aufstehen und verpasste weisse Gipfel über golden im Morgenlicht leuchtenden Wolken...

    Noch zwei Dinge waren neu. In ganz Darjeeling gibt es keine Plastiktüten mehr. Die Stadt wirbt für Müllvermeidung. Geht man einkaufen, bekommt man maximal eine Papiertüte. Gegen meine nächtlichen Hustenanfälle wollte ich Codein kaufen. Ich fand keine einzige Apotheke, die es mir verkaufen wollte. Alle meinten "haben wir hier nicht". Ich bin mir sicher, mit ärztlichem Rezept hätte ich welches bekommen. Die Apotheker hier wollen anscheinend Missbrauch vorbeugen. Fand ich sehr erstaunlich und positiv. Bekommt man in Indien ansonsten ja fast jede gewünschte Droge einfach in irgendwelchen Läden. In einem Geschäft trafen wir auf einen Medizinstudenten aus Kalkutta. Für ein halbes Jahr arbeitet und studiert er in Darjeeling. Er berichtete uns von den zunehmenden Drogen- und Alkoholproblemen unter den Jungendlichen hier in der Stadt. Das goldene Dreieck (Burma, Laos, Thailand) ist nicht weit entfernt, von dort kommen immer mehr harte Drogen in den östlichen Himalaya. Arbeitslosigkeit und unsichere Zukunftsperspektiven tun ihr Übriges dazu.

    Die Wolken wollten nicht weichen und wir machten uns auf den Weg nach Sikkim.

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Wiedersehen mit Pelling und Pemayangtse

    Von Darjeeling nach Pelling in Sikkim zu kommen ist ein rechter Schlauch. Die beiden Orte sind zwar nur etwa 70 km voneinander entfernt. Allerdings liegen zwischen ihnen tiefe Täler, Schluchten, Flüsse. Die Strasse windet sich in nicht endend wollenden Kurven bergab, bergauf und wieder bergab. Der Bundesstaat Sikkim ist eigentlich weniger entwickelt als das benachbarte Westbengalen (zu dem auch Darjeeling gehört). Komischerweise sind die Strassen in Sikkim besser befestigt, die öffentlichen Jeeps scheinen neuer zu sein und ihre Bereifung zeigt zumindest noch an den Rändern Profil. Wir starteten um 9 Uhr morgens vom Jeepstand in Darjeeling und kamen gegen 16 Uhr in Pelling an. Uff. Permitkontrolle an der Landesgrenze, Regen, auf den Anschlussbus warten, Regen, Erdrutsch, Bäche suchen sich ihren Weg von den Wiesen über die Strasse hinunter zum Fluss. Feucht und müde erreichten wir unseren Zielort, Hotel Garuda. Unser Zimmer vom letzten Mal war leider besetzt. Dafür bekamen wir ein anderes grosses, Fensterfront hinüber zum Kanchenjunga (steht eigentlich genau auf der anderen Seite des Tals, versteckte sich aber immer noch hinter dicken Wolken) .... und einen kleinen Heizstrahler :-)) War das angenehm! Wir liessen ihn beinahe die ganze Zeit laufen. Nach einem halben Tag war unser Zimmer trocken und aufgewärmt. Wäsche trocknete wieder, abends wärmten wir unsere Füsse daran und wir konnten sogar unseren monsunfeuchten iranischen Safran auf ihm trocknen. Leider fanden auch mehrere Insekten ihren Tod an den glühenden Spiralen ...

    Der Ferienort Pelling veränderte sich in den letzten drei Jahren. Viele neue grosse Hotels waren dazugebaut worden. In den Dewaliferien wird der verschlafene Ort von unzähligen indischen Familien aus Kalkutta heimgesucht, die hier oben Ferien machen.

    Wieder in unserem alten Hotel zu sein war ein wenig wie heimkommen. Fast nichts hatte sich verändert. Immer noch ein wenig modrig, gute Informationen über die Umgebung, Treffpunkt für die derzeit wenigen Traveller (absolute Nichtsaison), das Restaurant neu gestrichen, Essen gut, die Speisekarte bekam unzählige indische Gerichte dazu, Service schneckenlangsam (einmal warteten wir über 1h auf's Frühstück, Omelette und Toast ...). Wir tauschten alte Geschichten von unserem letzten Besuch mit dem Besitzerehepaar aus. Sie erzählten uns, dass sie wenn möglich bengalische und israelische Touristen nicht beherbergen. Beide wären laut bis spät in die Nacht, nehmen weder Rücksicht auf andere Gäste noch auf das Mobiliar. Hatten wir ähnliches nicht schon in McLeod und Manali gehört? ...

    Wir gingen los zum Kloster Pemayangtse. Dort lernten wir vor drei Jahren den Lama Yapo Yongda kennen. Er gehört zu den Sikkim Buddhisten, ist Oberhaupt eines der wichtigsten Klöster. Wir wollten ihn besuchen, sehen was aus seinen vielen damaligen Plänen wurde, vielleicht in der Schule arbeiten. In den letzten 1½ Jahren hatten wir durch einen Freund und Email losen Kontakt mit ihm. Manchmal malt die Erinnerung Orte in hellerem Licht als sie in Wirklichkeit sind. Ich war auf dem Weg zum Kloster ganz aufgeregt ... und wurde von der Wirklichkeit unsanft geweckt. "Unser" Pemayangtse gab es nicht mehr. Das Kloster wurde mittlerweilen renoviert, aussen und innen neu gestrichen, der Garten neu angelegt, ein kleiner Seitentempel aus Beton stand im Rohbau. Die berühmte Holzskulptur unterm Dach sah arg verstaubt aus, so manches Teil war abgebrochen oder lose. Die Bibliotek war verschlossen. Im "Pfarrhaus" (Lamahaus?) trafen wir überraschender Weise auf mehrere AuländerInnen, Voluntäre die in der Schule arbeiten. In den letzten Jahren hatte sich so einiges getan.

    Yapo hatte eines seiner Projekte ausbauen können, eine Schule für mittellose Kinder und Waisen aus den Bergregionen Sikkims. Mittlerweile ist sie vom indischen Staat als gemeinnützig anerkannt, darf internationale Spenden entgegennehmen, darf Voluntäre als Lehrer einstellen. Die Informationen darüber finden sich schon in den einschlägigen Reiseführern. Als wir zu Besuch kamen, arbeiteten zehn AusländerInnen als Lehrer dort, einige seit einigen Monaten, die meisten erst seit Tagen oder wenigen Wochen. Sie erzählten uns von der Schule. Die Fenster haben keine Verglasung, der Monsunnebel zieht durch die Räume, der Regen prasselt laut aufs Dach. Viele Kinder frieren, da sie keine trockene Kleidung zum Wechseln haben. Es gibt zu wenig Betten, Matratzen sind voller Ungeziefer, ca. 200 Kinder und Jugendliche teilen sich zwei halb funktionierende Waschbecken, oft bleibt das Wasser aus. Papier und Schreibstifte sind chronische Mangelware, die Schulbücher veraltet, das Essen einseitig, manchmal gibts nur Reis und wässrige Linsen. Mich haben die Berichte sehr deprimiert. Es schien, dass Yapo mit der Umsetzung seiner grossen Idee schlichtweg überfordert war. Er reist viel in Sikkim und Bengalen herum, ist tagelang nicht zu erreichen, Stellvertretung gibt es keine. Viele der Voluntäre hatten gute Ideen und würden sich zeit- und geldmässig in Dingen wie Renovierung, Struktur, Ausstattung engagieren. Ihre Motivation läuft bisher ins Leere. Es gibt niemanden im Kloster, der die Befugnis hätte, Dinge in die Hand zu nehmen, zu organisieren.

    Wir blieben neun Tage in Pelling, hofften Yapo persönlich anzutreffen. Leider war er während der ganzen Zeit abwesend. So blieb von diesem Besuch nur ein bedrückendes Bild aus Erzählungen Dritter. Es wollte so gar nicht mit meinen vergangenen Erfahrungen zusammenpassen.

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Nachhilfe in Kleintierzoologie

    Die ersten zwei Wochen in Sikkim waren von Blutegeln geprägt. Wir wussten vorab, dass sie sich während der Regenzeit in den Wäldern tummeln. Was wir nicht wussten war, dass die hiesigen zwischen ½ und 2 cm langen schwarzen Fäden sich in regelrechten Banden auf einen stürzen, sobald man abseits von geteerten Strassen auch nur den Bruchteil einer Sekunde stehen bleibt. Uns verging bald der Spass, in der Landschaft rumzuwandern.

    Einen Nachmittag gingen wir zu den uralten Ruinen der früheren Hauptstadt Sikkims. Der Pfad dorthin führt über Wiesen und durch Waldstücke. Ein Tourist vor uns zeigte uns eine Stelle an einer Metallbrücke, an der sich ca. 30 kleine schwarze Fäden starr vom Boden in die Luft streckten ... als wir stehenblieben, begannen einige von ihnen fluggs auf unsere Schuhe zu zukrabbeln (wie immer man auch die Fortbewegungsart von Blutegeln beschreibt). Eigentlich liegen die Ruinen der alten Stadt malerisch auf einem Hang, überschauen zwei tiefe Täler, Blick hinüber nach Bhutan und fast bis hinunter nach Darjeeling, Nebelschwaden zogen über moosbewachsene alte Gemäuer. Uneigentlich hüpften wir von einer Steinmauer zur anderen, versuchten so wenig wie möglich im Gras zu gehen, sahen ständig nach ob sich irgendetwas an unseren Schuhen und Hosenbeinen bewegt. Von Landschaft und Geschichte geniessen konnte keine Rede sein, es war der reinste "Kampf" mit dem Getier. Zwei Blutegelchen erwischte ich gerade noch, als sie schon auf dem Weg in mein Hosenbein waren. So wurde dieser Ausflug kürzer als geplant. Wir begaben uns schleunigst wieder auf die blutegelsichere Teerstrasse. Schade. In dieser Gegend hätte es wunderschöne Wanderpfade gegeben ... zu dieser Jahreszeit jedoch von saugendem Kleingetier besetzt.

    Unser Zimmer wäre eine Wonne für jeden Insekten liebenden Zoologen gewesen. Jeden Abend kamen neue Arten durch Fenster und Ritzen geflogen. Wir hatten noch nie so viele verschiedene gesehen. Nachtfalter in allen Grössen und Formen, mit dickem Pelz, langen Fühlern, braun-beigen Mustern auf dem Rücken. Von 1 cm bis 12 cm war jede Flügelspannweite vertreten. Die Fliegen und Käfer liessen sich da nicht lumpen. Quietschgrün und hüpfend (nein, es waren wirklich keine Grashüpfer), mit hellblauen Flügeln, lang, dick, bunt, gemustert. Ein Insekt hatte seine Flügel unter einem unsymmetrisch eckigen Panzer versteckt. Sah aus wie ein 7 cm grosses Stück dunkles Metall. Und manchmal verhüpften sich riesige Zikaden zu uns. Die zu fangen war nicht so einfach. Eine flüchtete in die Falten meines Schlafsacks. Ich wurde erst auf sie aufmerksam, als wir nach der ohrenbetäubenden Lärmquelle im Zimmer suchten. Die kleinen Insekten durften bleiben, die grossen wurden von uns rausgeschmissen. Manche von ihnen nahmen ein trauriges Ende. An einem Morgen war die Fussmatte vor unserem Zimmer mit weissen Flügeln übersäät. Ein Gecko hatte sich wohl an den Motten, die von der Lampe angezogen wurden, gütlich getan. Nur die Flügel blieben übrig vom nächtlichen Schmaus.

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Im kleinen Ort Yuksom

    Nichts als Regen und Nebelschwaden. Nach neun Tagen in Pelling machten wir uns auf den Weg nach Yuksom. Der kleine Ort liegt eigentlich nur auf der anderen Talseite. Die Fahrt dorthin dauerte aber mal wieder "endlos". Erst kam der Jeep nicht im Ort vorbei, dann konnte er stellenweise nur im Schrittempo fahren, den Pellingberg hinunter zum Fluss und auf der anderen Seite wieder den Berg hinauf. Der Regen hatte die Strasse aufgeweicht, Steine und Batz lagen im Weg, schmale Behelfstrassen durchquerten Erdrutsche. Einmal fuhren wir unter einem kleinen Wasserfall durch - das Regenwasser suchte sich jeden nur möglichen Weg nach unten. Nach sechs Stunden Fahrt waren wir angekommen, feucht und hungrig.

    Yuksom ist ein kleines Dorf inmitten dichtem Grün. Grüne Felder, grüne Wiesen, grüne subtropische Wälder, grüne Gärten vor den Häusern. Dazwischen blühten die verschiedensten Blumen, leuchtend, bunt, Orchideen und Gladiolen und viele mehr. Er ist auch Ausgangspunkt für Bergtouren in die Täler Richtung Kanchendzonga. Ausser uns war zunächst nur eine Bergsteigergruppe aus Bombay im Dorf zu Gast (waren witzige Leute, 8 Künstler die jedes Jahr ein paar Wochen zum Bergsteigen fahren, mit Jeeps, Fahrern und Träger schon vorab dabei, ihre Frauen liessen sie zu Hause). Wir hofften, dass sich die Monsunwolken auf dieser Talseite schneller verziehen würden und wir endlich Höhenbergsteigen gehen konnten. Leider falsch gedacht. Die Wolken hingen fest, die Sonne zeigte sich nur zwischendurch.

    Einen Tag blieben wir nur in dem freundlichen Ort. Schade eigentlich. Aufgrund des ständigen Regens und der Massen von Blutegeln konnten wir halt kaum wandern gehen. Unser einer Tag allerdings begann mit Sonnenschein. Wir also nichts wie raus und hinauf zum Kloster. So klein dieser Ort auch sein mag (ca. 30 Häuser liegen verstreut zwischen Feldern und Waldstücken), für Buddhisten ist er wichtig seiner alten Klöster wegen. Eines liegt am Ortsrand, ein älteres berühmtes auf einem kleinen Berg. Ein wunderschöner Weg führte ca. eine Stunde lang durch dichten subtropischen Wald das Bergerl hinauf. Kleine Bäche plätscherten unter grossen Farnen, grosse bunte Schmetterlinge flatterten zwischen leuchtenden Blüten. Wir sogen die warme, schwere Luft in uns ein. Kein Verkehr, keine Menschen weit und breit. Allerdings teilten wir diese Idylle mit Horden von Blutegeln. Jedesmal wenn wir stehenblieben, hatten wir einige viele an unseren Schuhen. Machte die Wanderung nicht besonders entspannend. Wir retteten uns von einem betonierten Aussichtspunkt zum anderen (InderInnen lieben diese Betonpavillions mit ihren Sonnenschirmen, wir diesmal auch...). Oben am Dhubdi Kloster angekommen befreiten wir uns erst mal von einigen unerwünschten Begleitern und genossen die Aussicht auf die umliegenden Hügel. Der Blick ins Tal war frei, Kanchenjunga zeigte die Ausläufer seiner Gletscher. Bei klarem Himmel muss die Sicht von hier oben grandios sein. Wir kommen mit Sicherheit wieder. Im Garten hinter dem Haupttempel traf ich auf den "Hausmeister", er sperrte uns den Tempel auf, liess uns hinauf in die Bibliothek im ersten Stock, machte uns auf besondere alte Fresken aufmerksam und zündete für uns zwei Butterlampen an. An solchen Orten fühle ich mich zu Hause.

    Wieder zurück in Yuksom war klar, in Sikkim Bergsteigen können wir diesmal vergessen. Das müssen wir nun doch auf Nepal verschieben :-/

    Und dann trafen wir auf Maurizio, ewig reisender Mittfünfziger aus Mexico. Er berichtete uns von den Flugzeugattentaten in USA. Es war der 12.September. Zuerst glaubten wir ihm nicht recht, hatte er uns doch schon in Pelling die Ohren mit allem möglichen Blödsinn vollgelabert. Wir fanden einen Fernseher, sahen die zusammensackenden WTC-Türme in den pakistanischen Nachrichten (alle anderen Sender schienen durch die Nachrichtenabwehr der benachbarten Chinesen geblockt zu sein) und brauchten erst mal frische Luft. Unsere erste Angst vor einem nächsten Weltkrieg traf nicht ein. Was dann eintraf war jedoch nicht weniger grausam als die Attentate selbst. Vergeltung musste her, auch wenn so genau kein Politiker wusste (und bis heute nicht weiss), wer der eigentliche Drahtzieher der Attentate war. Terrorismus war ein angenehmer Grund, sich politischen Boden für den Zukunft zu sichern. Armes Land wird von reichem Land bebombt. Ein amerikanisches Leben zählte mal wieder mehr als ein afghanisches. Erst züchten sich die USA Extremisten, dann wollen sie sich wieder vom Hals schaffen. Antiterrorismus wurde bequeme Legitimation für Menschenrechtsverletzungen, Unterdrückung, internationale Drohungen. den "freien Westen" gibt es seitdem noch weniger. Persönliche Grundrechte werden beschnitten. Wer heute den Mund noch kritisch auftut der läuft Gefahr polizeilich überwacht, gar einer Konspiration verdächtigt zu werden - freie Meinungsäusserung ade. Menschen bezahlen für die Taten ihrer Regierungen, egal in welchem Teil der Erde. (Warum darf eigentlich USA den überwiegenden Rest der Welt im Namen des Antiterrorismus manipulieren und wurde selbst wegen terroristischem Verhalten an Nicaragua verurteilt?). Im Grunde genommen haben die Drahtzieher der Attentate vielen Nationen auf der Erde einen Gefallen getan. Drangsalieren von Minderheiten im eigenen Land, Beschneidung von Grundrechten, Überwachung seiner Bürger ohne diese davon zu informieren, Hinrichtungen - in USA, Israel, China, Europa, Russland ..... alles wird mit dem Decknamen "Kampf gegen den Terrorismus" legitimiert. Und islamische Extremisten haben eines ihrer Ziele erreicht - die vielbeneidete Freiheit des Westens bröckelt zunehmens. Die Mehrheit von uns nimmts ohne viel Aufhebens mit. Hauptsache bei mir im Garten bleibts ruhig ... Genug der Bitterkeit.

    Am kommenden Morgen machten wir uns auf den Weg in Sikkims Hauptstadt Gangtok.

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Abenteuerfahrt in die Grossstadt

    Eigentlich wollten wir noch ein paar Tage nach Tashiding (altes Kloster, wunderschöner kleiner Ort) und von dort aus nach Gangtok. Doch auch diese Planung fiel wegen Monsun ins Wasser. Die Strasse nach Tashiding war schon seit 2 Monaten nicht mehr befahrbar. Immer wieder Erdrutsche machten begonnene Räumarbeiten zunichte. So warten die Sikkimer lieber den Beginn der Trockenzeit ab und gehen derweil auf Waldwegen die vier Stunden zu Fuss dorthin. Genau das hatten wir auch überlegt. Mindestens vier Stunden lang ständig Blutegel von Schuhen und Hosen fernhalten, übergewichtige Rucksäcke + Daypacks schleppen, genügend Proviant und Wasser einpacken, die richtigen Wege finden ohne Wanderkarte .... wir verwarfen diese Idee wieder. Vielleicht werden wir für solche Extratouren einfach zu bequem.

    So nahmen wir morgens um 6.30 Uhr bei feinem Schnürlregen den Jeep von Yuksom den Berg hinunter, durch den anschwellenden Wasserfall hindurch, über den aufgeweichten Hangabrutsch, hinauf nach Pelling, hinunter nach Gezing, ganz hinunter nach Legship ... und da informierte uns die Polizei, dass die Strasse nach Joretang durch einen Erdrutsch blockiert sei und wir deshalb dort Fahrzeug wechseln müssten. Bis wir am Erdrutsch waren, war der selbst für Busse wieder passierbar (die Busse in Sikkim sind sowieso eine Schau. Sie fahren komme was wolle beinahe alle Bergstrassen hinauf und hinunter, egal wie steil oder wieviele Felsbrocken im Weg liegen. Wir stellten uns da einen Münchener Linienbus vor - der würde wahrscheinlich schon bei der ersten Flussdurchquerung stecken bleiben). Durch mehrere übergelaufene Flüsse hindurch erreichten wir Joretang bei strömendem Regen. Nun hiess es Anschlusstransport finden. Der Busfahrer meinte, es kommen nur Jeeps durch nach Gangtok, die Jeepfahrer meinten es kommen nur Busse durch. Nach langem Rumgesuche fanden wir einen Jeep der fuhr, und viele Menschen wollten mit. Dicht gedrängt sitzend kamen wir dann gerade mal bis zum Ortsrand ... ein Baum war umgestürzt. Der Fahrer versuchte über die aus groben Steinen gebaute Behelfsbrücke zu kommen und blieb glatt auf dem Stamm hängen, er hatte zu wenig Schwung genommen. Alles aussteigen. Ein junger Mann begann mit einer Axt den Stamm oberhalb des Jeeps zu bearbeiten. Eine Gruppe Männer versuchte derweil den Jeep vom Stamm nach hinten oder vorne herunter zu schaukeln ... und wir sahen schon den Jeep samt unseren Rucksäcken den Abhang hinunter ins Gebüsch stürzen. Die Axt zerbrach und die Männer gaben das Autoschaukeln auf. Von der anderen Seite kam ein vollbesetzter Jeep aus Gangtok an. Wir stiegen um. Dessen Passagiere mussten den Weg nach Joretang zu Fuss gehen, "ihr" Umsteigejeep sass ja noch auf dem Baumstamm fest. Wir waren froh, endlich weiterzukommen. Auch fuhr der neue Fahrer wesentlich umsichtiger. Früher Nachmittag und noch lag ein langer Weg vor uns. Da die normale Verbindungsstrasse mittlerweile unpassierbar war mussten wir einen Umweg über Westbengalen/Indien machen. Also wieder hinunter nach Süden bis zur Grenze, am Checkpost Sikkim/Indien wurden unsere Permits ausgestempelt. Ob wir trotzdem wieder nach Sikkim hinein durften, konnte der indische Grenzer uns nicht sagen. Er war hier zuständig fürs Ausstempeln und genau das tat er auch. Seufz. Nach wenigen km am Indien/Sikkim Checkpost wars dann einfacher. Der Grenzer war aus Sikkim, stempelte gar nichts, meinte "anders kommt ihr derzeit ja nicht nach Gangtok" und wünschte uns noch eine sichere Weiterfahrt. Welcome to Sikkim, again. Nach mehreren Überschwemmungsdurchquerungen, zwei Stunden warten bis ein Hang endlich aufhörte uns vor die Räder zu rutschen und zahllosen Schlaglöchern kamen wir endlich in der Haupstadt an. 13 Stunden unterwegs für ca. 90 km, nass und hungrig.

    In Gangtok wohnten wir im einzigen Backpackerhotel der Stadt. Riesiges Zimmer mit Balkon und toller Aussicht auf die Berge, äh die umliegenden Hänge. Die Gipfel versteckten sich noch immer hinter Monsunwolken. Unser Bad allerdings war so feucht, dass aus der Türschwelle langstielige, goldgelbe Schwammerl wuchsen. Ob die essbar waren?

    Reiche indische Familien lieben die Stadt als Ferienort. Die Touristeninformation bot ausser Helicopterflügen allerdings nicht mal Umgebungskarten an. Die Flüge hatten dafür auch ihren stolzen Preis. Leider ist die Innenstadt nicht autofrei so wie in Shimla oder Darjeeling. So wars ganz schön laut und stinkig von den Abgasen.

    Die Sonne zeigte sich wieder und es war warm. Juhu! Wir stiegen hinauf zum Ganesh View Point (tolle Aussicht über die Täler; leider am Sonntag von indischen Youngstern belagert, die laut und falsch "100 miles" in unsere Richtung sangen und sich super cool fanden). Wir gingen hinunter zum Tibetology Institute mit seinem Museum, Hochschule und Kloster. Noch mitten in der Stadt auf einem grün bewaldeten Hügel liegt diese Oase der Spiritualität. Vögel, Schmetterlinge, Grillen und himmlische Ruhe vom Autolärm der Strassen. Über der Anlage schwang Musik. Die Studenten fanden sich gerade im Tempel zum Rezitieren der Gesänge ein.

    Und wir lernten hier zwei alte Reisehasen kennen. Beide Mitte sechzig, der eine Franzose aus Paris, der andere Ami aus Texas. Ihre Freundinnen hatten sie zu Hause gelassen und gondelten wieder einmal einige Wochen in Asien herum. Beide waren in der alternativen Drogenszene der 60er und 70er Jahre vertreten. Der eine wohnte damals mehrere Jahre in Dharamsala, der andere gondelte zwischen mittlerem Osten und Indien hin und her. Ich sass mit den beiden braungebrannten Althippies vorm Restaurant, sah dem Leben auf der Strasse zu und sie begannen, über ihre wilden Jahre zu diskutieren. Welche Droge wie wirkte, was sie alles ausprobierten, was sie nicht ausprobierten weil es zu viele Gehirnzellen zerstören würde, das die modernen synthetischen Drogen gesundheitsschädlicher Mist wären und heute sich die wenigsten Konsumenten noch dafür interessieren, aus welchen chemischen Stoffen ihre Drogen zusammengesetzt sind. Ich hab mich köstlich amüsiert (obwohl ich keine Ahnung hatte, von welchen chemischen Zusammensetzungen und Slangbzeichnungen sie die ganze Zeit redeten).

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Nochmal einen Tag Darjeeling und Abschied von Indien

    In unserem Hotel in Yuksom hatten wir Jahresberichte vom Mountaineering Institute entdeckt (enthält Berichte von Expeditionen im Himalaya). Die wollten wir unbedingt haben. Dummerweise bekommt man sie nur im Mountaineering Institute in Darjeeling. Nach vier Tagen Gangtok machten wir uns also wieder auf nach Darjeeling. Morgenbus um 8.00 Uhr nehmen, wunderschöne Fahrt drei Stunden lang über teebepflanzte Hänge, unser Zimmer vom vorigen Mal beziehen, drei km laufen zum Mountaineering Institute (es liegt mitten im Freiluftzoo, mussten trotzdem Eintritt bezahlen), alle erhältlichen Jahresberichte kaufen (1 DM/Stück, die Verkäufering wunderte sich sehr), per Anhalter zurück zur Stadt und hin zur Post, Paket verschnüren ... wir konnten es gerade noch vor Schalterschluss abgeben, uff. Danach brauchten wir erstmal Pause, bummelten zum Abschied durch die Strassen, gingen in unserem Lieblingsrestaurant essen, trafen uns mit dem Texaner abends zum Bier. Ich hatte richtig Lust, nochmal ein paar Tage in Darjeeling zu bleiben. Zumal hatte der Dauerregen auch hier mittlerweile aufgehört. In dieser Stadt kann man leicht hängen bleiben. Aber nichts da. Am Tag machten wir uns auf zur nepalesischen.

    Wir nahmen am frühen Morgen einen Jeep hinunter nach Siliguri. An diesem Tag zeigte sich uns zum ersten Mal der Kanchenjunga über den Wolken. Es schien, als wollte er mit seinen leuchtenden Gletschern uns zum Abschied noch eine gute Reise wünschen. Wunderschön. Mir war's schwer im Herz, diese Landschaft mit seinen freundlichen Menschen zu verlassen. Ich werde zwar bestimmt wiederkommen. Aber wer weiss schon, wieviel Zeit bis dahin verstreicht.

    In Siliguri angekommen, stiegen wir um in den Jeep zur Grenze Panitanki/Karkabhitta. Nach dem Grenzprozedere in Panitanki (alle Grenzer lieben anscheinend ihre Formulare) machten wir uns zu Fuss auf den Weg über die Grenze. Da standen wir also auf der Brücke über dem breiten Fluss, der die Grenzlinie zwischen Indien und Nepal markiert. 19.9.2001. In mir sträubte sich alles über diese Brücke zu gehen. Drei Monate waren wir nur in Indien gewesen, sieben hätten wir lt. unserem Visa bleiben können. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, hatte das Gefühl, mein Indien diesmal nicht gebührend gewürdigt zu haben. Gut, Monsun ist die denkbar schlechteste Reisezeit in Indien. Gut, im Nordwesten des Landes sind die InderInnen anstrengend. Und wir wollten ja nach Tibet, der Winter hing uns im Nacken. Für dieses Mal war Indien genug und zugleich hatte ich das bestimmte Gefühl einiges verpasst zu haben. Ich stand auf der Brücke, sah zum Abschied nochmal zurück nach Indien ... und ging nach vorne (so wie ich's halt immer tue :-)

    Der Grenzort auf der nepalesischen Seite heisst wie gesagt Karkabhitta. War das Immigration Office vor drei Jahren noch eine unscheinbare Bretterbude am Ende der Brücke, so hatten die Nepalis mittlerweile ein grosses Eingangsportal über die Hauptstrasse und ein stattliches Zollhaus gebaut. Auch gibt es für Ausländer generell nur noch drei Monats Touristenvisas für 30 U$ (zuvor konnte man Visas per Tag bezahlen, pro Tag 1 U$, war den Behörden anscheinend zu arbeitsaufwendig). Die Visas klebten als rotgraue Sticker auf einem grossen Bogen Papier ... fälschungssicher sahen die nicht gerade aus.

    Der nächste Übernachtbus nach Kathmandu ging abends um 18.00 Uhr, es war gerade mal früher Nachmittag. Mittagessen, Geld umwechseln, ratschen ... seit Darjeeling waren wir wieder zu dritt unterwegs. In unserem Jeep sass Helene. Sie kommt ursprünglich aus Deutschland, lebte vier Jahre in Irland und studierte davor in San Francisco. Nun war sie auf dem Weg nach Australien (zum Arbeiten) und hatte in den kommenden Monaten eine ähnliche Route geplant wie wir: Kathmandu - Lhasa - Peking. Wir verstanden uns auf Anhieb und hatten Unmengen auszutauschen und zu diskutieren. Manche Menschen scheinen sich zu finden :-)

    Die Fahrt mit dem Nachtbus war unspektakulär, heiss und lang. Wir fuhren auf der Hauptstrasse durch's Terrai. Es war tropisch heiss, die Raststätten voller Moskitos, der Himmel über uns sternenklar und irgendwann nach Mitternacht wurden uns die Ohren mit "I believe in Santa Claus" aus dem Busradio vollgedröhnt. Unser Busfahrer wollte uns drei Ausländern anscheinend vorführen, dass sie auch englischsprachige Musik dabei hatten. So kamen wir in den Genuss von kitschig triefenden Weihnachtsliedern mitten im September irgendwo im Süden Nepals bei 30 Grad Hitze... Am nächsten Morgen fuhren wir dann schon die Täler hinauf nach Kathmandu. Über den grünen Hängen im Westen leuchteten hohe Schneegipfel. Wir fragten einen Mitreisenden nach deren Namen. " der linke Berg ist der Mt. Everest und der rechte Kanchenjunga" bekamen wir freundlich erklärt. Aha. Der indische Geschäftsmann wollte hilfsbereit sein, hatte aber keinen blasssen Schimmer. Everest und Kanchenjunga liegen genau in der entgegengesetzten Richtung und waren viel zu weit weg. Später sah ich auf der Karte nach ... es waren wohl das Annapurnamassiv und Manaslu, die uns da Guten Morgen wünschten. Eigentlich hatte ich ja gar keine Lust "schon wieder" nach Nepal zu fahren und dort auch noch zum Bergsteigen zu gehen. Klingt wohl ein bissl grosskotzig. Ich wäre lieber in Sikkim zum Bergsteigen gegangen und hätte Nepal diesmal mit einer Woche auf's-chinesische-Visum- warten abgehakt. Als mir dann aber beim Aufwachen mein geliebter Annapurna in seiner ganzen Schönheit entgegenleuchtete, kam meine einstige Leidenschaft für dieses Land sofort wieder aus der Versenkung. Ich liebe den Himalaya einfach :-)))))

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Kathmandu wird immer grösser

    Raus aus dem Bus (der Busbahnhof sah immer noch gleich aus), hinein ins Taxi (sie versuchen immer noch, Neuankömmlinge übers Ohr zu hauen), Hotel suchen im Thamel, kurz duschen und nichts wie ab zum Frühstück. Früüühstück! Es ist mir ja fast peinlich, so was zu schreiben. Aber nach 10 Monaten alles mögliche zum Früstück zu essen, freute selbst ich mich auf leckere Käsesemmeln und Nusshörnchen ... und Brezen ...!! Die hatte ich beim letzen Besuch glatt übersehen (Leberkäs und Obazter kamen schon vor über 10 Jahren mit einem ausgewanderten Salzburger Gastronom hier an) . Wir trafen uns zu dritt im Garten der Weizenbakery (Originalschreibweise). Dort gibt es ausser dunklen und hellen Semmeln, Müsli, Joghurt, Croissants, Nussschnecken auch ofenfrische Brezen. An die vom Burkhard in Germering kommen sie zwar nicht hin aber lecker waren sie. Ein bissl dekadent ist's ja schon. Aber auf langen Reisen geniesse selbst ich ein bissl heimische Esskultur zwischendurch.

    Nepal ist Schmelztiegel für zwei Arten von Touristen. Die einen sind die bergwandernden und tempelsüchtigen Pauschaltouristen. Sie strömen jede Saison (Frühling und Herbst) per Flugzeug ins Land, bleiben 2 - 4 Wochen, mieten sich Bergführer und Träger, schnaufen und schwitzen sich rotgesichtig die Treks entlang (an erster Stelle steht der Weg zum Mt. Everest, zweiter Platz hat Annapurna Circuit bzw. die kürzere Variante zum Basecamp, zum Schluss kommt das Gebiet Langtang/Helambu). Vor oder nach den Bergsteigeausflügen sieht man sie sommergedressed in Kathmandutal und - stadt tagsüber rumsausen beim Besichtigen der historischen Tempel, Paläste, Stupas, abends in einem der vielen Restaurants, Pubs, Gärten fein angezogen ein kühles Bier und gutes Essen geniessen und danach noch ein bisschen shoppen gehen. Auch Himalayarundflüge oder eine Fahrt mit dem Heissluftballon lässt Frau und Mann sich ungerne entgehen. Die anderen sind die Langzeitreisenden, gemeinhin auch als "Backpacker" bekannt. Auf den vielen möglichen Routen kreuz und quer durch Süd- und Südostasien machen sie in Nepal Pause. Überlicherweise auf dem Landwege kommend aus Indien oder Tibet, finden sich unter ihnen immer mehr per Flugzeug ein, vorzugsweise aus Bangkok, Kalkutta, Delhi, Lhasa (wobei ich immer noch nicht verstehe, wie man 200 U$ für einen Flug Delhi-Kathmandu zahlen will wenn der Bus ca. 5 U$ kostet und nur einen Reisetag länger braucht - die Backpackers werden wohlhabender). In Nepal spannen sie dann aus von all den Strapazen des Rucksackreisens. In Kathmandu oder Pokhara geniessen sie original italienisches, griechisches, amerikanisches, französisches Essen, endlose Frühstücke mit Vollkornbrot aus einer der vielen "German Bakerys", billiges Bier, ab und zu Wein, Pubs mit aktueller moderner Musik, Technodiscos, Jamsessions mit ein bisschen Räucherware dazu. Abhängen halt. Auch sie betätigen sich zwischendurch sportlich, allerdings ohne den Zeitdruck der drei-Wochen-Touristen. Nach einigen Wochen Abhängen geht man einige Wochen irgendwohin zum Wandern, Wildwasserfahren (Schlauchboot, Kajak, Kanu), Canyoning, Bungeejumping, Mountainbiking. Dann wieder irgendwohin Abhängen, alte und neue Reisekumpane treffen, Geschichten austauschen und vielleicht nochmal in ein anderes Tal wandern gehen ...bevor man nach 6 - 12 Wochen seinen Rucksack wieder zusammenpackt (vorher noch etliche kg übergewichtigen Schmuck und Kunstgegenstände per Post in die Heimat geschickt) und sich erneut dem harten Leben des Backpackens stellt (vorzugsweise nach Tibet, Indien, Thailand).

    Und alles trifft sich im Thamel. Der Thamel war einsmals ein kleines Bauerndorf ausserhalb der Hauptstadt Kathmandu. Heute ist er dessen Touristenviertel. Hier finden sich die meisten billigen und Mittelklassehotels, mittlerweile unzählbaren Restaurants, Bars, Pubs, Bäckereien, Bücherläden, Supermärkte (die überwiegend westliche Produkte führen, Schneekoppemüslis, Nivea Kosmetikpalette, Maggi/Knorr Suppen, italienische Spaghetti und vieles mehr), Einkaufspassagen, Reisebüros, Fotogeschäfte, Internetcafes, Bekleidungs- Trekking- Sport- Kunsthandwerk- Schmuckgeschäfte .... Kathmandu? Nepal? Ach ja, zwischendurch entdeckt man noch einen übriggebliebenen Tempel, einen rotbemalten Stein, ein altes Holzhaus mit Schnitzereien verziert. Und die anderen Menschen (die keine Touristen sind) haben eine andere Hautfarbe und kleiden sich anders (für unkundige Augen allerdings auch wieder leicht zu verwechseln mit den indischen Touristen). Geht man nur wenige Strassen aus dem Thamel heraus befindet man sich sofort in der echten nepalesischen Hauptstadt, die sich bewegt zwischen modernem Leben und reicher Historie wie so viele Städte in Südasien.

    Vieles verändert sich hier. Als ich 1992 zum ersten mal in der Stadt war, wohnte kein Backpacker der was auf sich hält im Thamel. Dieser war nur für spiessige, reiche Pauschaltouristen. Die Luft im Kathmandutal war klar, die Berge glühten im Abendrot, im Sonnenlicht leuchteten die Gletscher vom Langtang herüber und das Weihnachtsessen mit Freunden im Old Vienna- Restaurant war mir höchst peinlich. Emailcafes und Musikkneipen gab es noch nicht und auch die Yakwollpullover waren noch dicht gestrickt. Beim zweiten Besuch 1999 konnte ich vor Smog keine 300 m weit sehen, flüchtete nach wenigen Tagen wegen Atemnot in die Berge, war erstaunt und genervt über die vielen neu gebauten Hotels, Baustellen und Pubs mit Leuchtreklame (!) und sträubte mich dagegen, etwas anderes als nepalesisch oder indisch zu essen. "Mein" Nepal existierte hier nicht mehr. Diesesmal konnte ich in der Stadt wieder atmen und die grünen Berge der Umgebung sehen (auch hier wurden CNG-betriebene Taxis und Busse eingeführt!), stellte fest das noch mehr Geschäfte und Restaurants gebaut wurden (sogar zwei Einkaufszentren), dass Touristen für alle historischen Innenstädte Eintitt zahlen sollen (taten wir natürlich nicht, nahmen einfach die nächste Gasse an der kein Tickethäuschen stand) und genoss den Luxus von Brezen zum Frühstück und richtig italienisch schmeckender Pizza ... so ändern sich die Zeiten.

    Vom Thamel bin ich diesmal richtig erschrocken. Beinahe jedes freie Stückchen Wiese wurde mit einem Hotel oder Geschäftshaus zugebaut. Die alten Tempel und Schreine verschwinden zwischen Neonreklamen und Werbung. Die Supermärkte führen Weine aus aller Welt, Ghurkamesser werden mittlerweile in glasglänzenden, polierten Waffengeschäften angeboten, fabrikfrisch mit glizernden Verzierungen für den Exotikhunger der Touristen. Morgens um sieben Uhr sieht man einheimische Frauen und Männer von ausserhalb hinauf zu den Geschäften im Thamel gehen, zu ihren Arbeitsplätzen. Nachts zwischen 22 und 23 Uhr ziehen sie wieder in die Altstadt, zum Bus in die Randbezirke oder wo sie sonst wohnen, zu sich nach Hause. Mich erinnerte der Thamel diesmal an Maspalomas auf Gran Canaria, Rimini in Italien, Touristtown in Limassol / Zypern oder wie die Hochburgen der Lang- und Kurzreisenden sonst noch so heissen. Würden die Menschen hier sich nicht besonders kleiden, in den Kunsthandwerkgeschäften keine Thankas hängen, Thamel könnte überall auf der Welt sein. Das Kathmandutal ist fest in der Hand des Massentourismus. Als wir hier ankamen, fanden sich allerdings nicht viele Ausländer in Nepal. Die Ermordung der Königsfamilie im Juni, immer wieder Übergriffe der Maoisten auf Schulen und Geschäfte in der Hauptstadt, kommunistische Demonstrationen, dürftige Informationen über Sicherheit und Unsicherheit im Land, Flugängste und immer noch politische Unsicherheit nach den Attentaten des elften September in USA liess viele Touristen ihren geplanten Urlaub absagen. Nach unserer Trekkingtour begann sich die Stadt allerdings wieder zu füllen. Zur Erleichterung der Geschäfts- und Restaurantbetreiber. Sie hatten ein trübes Jahr hinter sich und hofften auf genug Business in der Herbstsaison, um ihre Familien ernähren zu können.

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Wie kommen wir nach Tibet ??

    Dies wurde schwieriger als gedacht. Wir wussten: die Route, die wir nach Lhasa nehmen wollten und dass diese befahrbar ist; dass die Strecke KTM - Lhasa teurer ist als anders herum; dass wir eine Gruppe von fünf Personen sein müssen, um eine eigene Tour buchen zu können (ansonsten landet man mit unbestimmter Zahl von Mitreisenden in Bussen die nur die Hauptstasse entlang fahren); dass wir ein chinesisches Touristenvisum und kein Gruppenvisum brauchen; dass wir vorher zum Höhentraining gehen wollen.

    Das Touristenvisum bekommen war kein Problem (trotz all der Schauergeschichten, die uns über die chinesische Botschaft in KTM berichtet wurden). Wir gingen einfach zur Botschaft (die wir natürlich erst mal nicht fanden), füllten Formulare aus, stellten uns an, gaben Pässe und Geld ab, bekamen sie nach fünf Tagen mit einem zwei Monatsvisum für ganz China zurück. Ich fragte sogar den Schaltermenschen, ob wir auch einzeln nach Tibet einreisen dürften. "nur mit Gruppe" antwortete er freundlich. All das Getue um "schreib ja nicht auf den Antrag, dass du nach Tibet willst, schreib lieber Shanghai und Peking" fanden wir völlig übertrieben. Ist den Chinesen hier doch klar, dass wenn ein Tourist in KTM ein Chinavisum beantragt, er natürlich nach Tibet will und China kritisch gegenüber steht. Aus diesem Grund liegt wohl auch ein Hochglanzheft in der Botschaft aus, voller Propaganda über die armen Tibeter, vom Dalai Lama unterdrückt, von den Chinesen endlich befreit. Mir wurde beim Lesen schlecht. Aber das sagte ich dem Chinesen am Schalter natürlich nicht. Das Visum war also das geringste Problem.

    Aber dann kams. Voller Elan begannen wir gleich am ersten Nachmittag, Reisebüros abzuklappern (erst im Thamel, dann ausserhalb). Nach 1½ Tagen waren zwei Dinge klar: jeder will Geldabzocken und lügt dich deshalb an und alle Buchungen gehen über zwei oder drei von den Chinesen autorisierte Reisebüros. Die Reisebüros in KTM organisieren nur die Autos zur Grenze, ca. 100 km. Danach übernehmen Büros aus Lhasa die Touristen in Jeeps oder Busse. Bucht man in KTM hat man keinerlei Einfluss auf Transportmittel, Grösse der Reisegruppe, Stops, Besichtigungen, Notfallausstattung für Höhenkrankheit usw. Mir wurden die abenteuerlichsten Geschichten erzählt. Die Jeeps seinen mit aufblasbaren Druckkammern und Sauerstoff für Notfälle ausgestattet, Höhe sei aber nie Problem (sterben nicht jedes Jahr einige Touristen weil sie Höhenkrankheit in Tibet nicht ernst nehmen?), wir übernachten natürlich an den gewünschten Orten (von mehreren Touren erfuhren wir später, dass sie mit fadenscheinigen Begründungen /ein Mordfall sei passiert, die falschen Permits ausgestellt usw./ an hässlichen Orten über Nacht blieben und durch die interessanten nur hindurch fuhren), der Grenzpass ist ab Ende Oktober zugeschneit (kam seit zwei Jahren nicht mehr vor), die Route via Rumbuk sei wegen den amerikanischen Bombern in Afghanistan gesperrt (Hirnriss, entweder bekamen wir horrende Preise angeboten oder ein direktes "Nicht möglich", die Reisebüros waren schlichtweg zu faul eine Extratour selbst zu organisieren), man muss ein Flug- oder Busticket im Anschluss gleich mitbuchen. Die einfache Tour auf der Hauptstrasse nach Lhasa sollte dann pro Person zwischen 220 und 400 U$ kosten, je nach der Anzahlt der Zwischenhändlerreisebüros. Wir waren so genervt, dass wir am liebsten das nächste Flugzeug nach Europa nehmen wollten (Hätte den Chinesen auch in den Kram gepasst. Die sind über Individualtouristen in Tibet eh nicht erfreut). Zum Glück fand Hakan im Internet eine Website von einem Reisebüro direkt in Lhasa. Mit denen diskutierten, organisierten und buchten wir am Ende direkt: unsere gewünschte Route samt Stops, mit allen nötigen Papieren und Informationen, zu einem annehmbaren Preis. YEAHHHHH!!! An diesem Punkt waren wir allerdings erst nach drei Wochen MitfahrerInnen suchen, bergsteigen, hin und her emailen, und nochmal Leute suchen. Am Ende wurde der ganze Aufwand ein richtiger Glücksgriff :-)

    MifahrerInnen suchen war auch so eine Sache. Håkan und ich wollten erst zum Höhenbergsteigen gehen. Von KTM nach nach Rumbuk fahren wir innerhalb vier Tagen von 1400 m auf 5200 m hinauf. Jedem denkenden Menschen ist klar, dies ist zu viel Höhe in zu kurzer Zeit. Wir riskieren unsere Gesundheit. Hmm. Die denkenden Menschen scheinen immer weniger zu werden, auch unter den Langzeitreisenden die ja eigentlich keinen Zeitdruck haben ... äh. Leute für unsere Route zu begeistern war nicht schwierig. Auf ausgehängte Zettel an diversen Schwarzen Brettern in einschlägigen Cafes und Hotels trafen wir uns schon am zweiten Abend mit vier anderen. Allerdings waren drei davon im argen Zeitdruck (Schweizerin, sollte eigentlich über Höhenkrankheit Bescheid wissen ... ?!). Sie wollten am liebsten gleich am nächsten Tag starten, Höhe sei kein Problem und alles nicht so schlimm (drei von den vieren fuhren am kommenden Wochenende, zwei von ihnen bekamen von der Fahrt nicht viel mit weil ihnen nur schlecht und schwindlig war...). Dem vierten, Steven, schienen unsere Argumente zum Aklimatisieren logisch und er wollte mit uns mit zum Bergsteigen kommen. Ein anderes Pärchen, beide Amerikaner, sprangen nach 10 Tagen Diskutiererei ab. Sie hatte vor allem und jedem Angst (vor allem vor der chinesischen Polizei), war die Unsicherheit in Person, misstraute den Geschichten der Reisebüros zwar, liess sich am Ende von denen doch unter Druck setzen, buchte eine Tour .... und landete nach einer Horrorfahrt (nichts war wie vorher zugesichert) mit Höhenkrankheit in Lhasa im Krankenhaus.

    Nach einer Woche hatten wir immer noch keine fünf Leute für eine Tour beisammen. Håkan und ich waren reichlich frustriert. Wir sahen uns schon in einem Bus mit 30 anderen Touris sitzen und die Hauptstrasse nach Lhasa entlangschaukeln. Der September war fast schon rum. Uns lief die Zeit davon. Wir beschlossen, erst einmal Höhenbergsteigen zu gehen und danach nochmal nach Leuten zu schauen. Bei einer Massentour konnten wir immer noch kurzfristig mitfahren.

    Und wieder ein Abschied, zumindest ein Vorrübergehender. Helene fuhr nach Pokhara (alle Überzeugungsanstrengungen, dass sie schon mit uns nach Tibet kommt schlugen leider fehl; sie wollte zum Desai Fest noch in Nepal sein), Steven , Håkan und ich fuhren Richtung Langtang Nationalpark.

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Wiedersehen mit Gosainkund

    Am 29.September gings endlich raus aus der lauten, engen Stadt und hinein in die Berge. Steven, Hakan und ich nahmen den ersten Bus nach Dunche, 7 Uhr morgens. In Dunche beginnt der kurze Weg hinauf nach Gosainkund, 4400 m hoch gelegen. Wir beide waren vor 2 ½ Jahren schon mal dort. Wanderten damals vom Langtangtal herauf (verläuft parallel zur tibetischen Grenze), via Gosainkund und Laurebina Pass auf der anderen Seite nach Helambu hinunter. Wir kannten den grössten Teil der Wege schon, unsere Lieblingshütte zum Übernachten, planten in Minimum drei Tagen hinauf zu gehen und dort oben ein paar Tage zu bleiben, bis unsere Körper sich der Höhe anpassen. Gosainkund liegt auf der Durchschnittshöhe für unsere Tibettour und die Landschaft im Langtang Nationalpark finde ich eine der schönsten in Nepal (im für Touristen erreichbaren Teil, in viel Gebiete darf man gar nicht). Für Steven wars die erste Bergtour seines Lebens. Wir erklärten ihm ausführlich auf welche Symptome von Höhenkrankheit er achten muss. Wenn einer von uns dreien etwas merkt, bleiben wir an der nächsten Hütte, wird's nicht besser gehen wir wieder eine Station hinunter. Vielleicht hatten wir ihm zuviel erzählt.

    Der Busfahrtag dauerte mal wieder endlos, 10 h für ca. 90 km. Dann kam uns auch noch ein vom Monsun übriggebliebener Erdrutsch in die Quere. Zwei h vorm Ziel hiess es alle aussteigen aus dem Bus, zu Fuss mit Gepäck einen km den Berg hinauf auf einem glitschigen Trampelpfad, nach einem weiteren km in den Bus von der anderen Seite einsteigen. In unserem Bus aus KTM sassen auch zwei israelische Frauen, Mama mit Tochter. Sie hatten sich offensichtlich in KTM einen Führer gemietet, waren mit offenen Hausschlappen beschuht und mehr als übergewichtig. Mit heute schon zu Fuss gehen hatten sie nicht gerechnet und auch nicht damit, dass sie ihr Gepäck ½ Stunde selbst den Berg hinauf tragen sollten. Als sie einsahen, dass Warten auf bessere Zeiten nichts bringt, setzten sie sich rotgesichtig und schwitzend in Bewegung. Auf halbem Weg kamen sie dann auf die Idee, in ihren Rucksäcken nach den Bergschuhen zu suchen und diese auch anzuziehen. Der arme Führer musste bergeweise Beschimpfungen über sich ergehen lassen, dass sie heute noch gar nicht zu Fuss gehen wollten, morgen vielleicht, aber nur vielleicht. Ich war auch nicht begeistert von der ungeplanten Wanderung. Aber so isses halt wenn man am Ende des Monsuns im Himalaya herumfährt -- die Natur braucht Platz und der Mensch läuft drumherum.

    Unser erster Wandertag begann mit blauem Himmel und klarer Sicht auf die schneeweissen Gipfel des Ganesh-Massivs (7406m) an der tibetischen Grenze. Es war sooooo wunderschön. Dann begannen allerdings die Strapazen. Dunche liegt auf 2000m. Wir wollten hinauf nach Sin Gompa, 3050 m. Der Weg führt von Dunche erst mal 200 Höhenmeter hinunter zum Fluss, über eine Hängebrücke drüber und auf der anderen Seite wieder 1200 Meter hinauf. Bis zur Hängebrücke war's ein netter Weg durch Wiesen und Felder, vorbei an einem kleinen Haus aus dem ein Kleinkind samt Oma uns entgegenwinkten, durch einen aus den Ufern gelaufenen Bach hindurch. Die Sonne schien warm, Schmetterlinge tanzten im lauen Wind, der Fluss rauschte und schäumte neben uns. Anfangs sah ich noch auf jedem Stein Blutegel lauern. Diese Phobie legte sich aber bald. Der Weg hinauf nach Sin Gompa war auch wunderschön, führte grossenteils durch tropischen Wald, immer wieder Ausblicke auf Wasserfälle und Almen auf den gegenüberliegenden Hängen, Blumen blühten in leuchtenden Farben ... aber steil. Es gab kaum ein flaches Stück. Ich war bald völlig fertig. Reisen macht nicht gerade fit. In Sonne und bergauf mit Rucksack zu latschen überforderte schlichtweg meine Kondition. Im Schneckentempo scheppte ich mich den Berg hinauf. Håkan und Steven warteten immer wieder. Wir machten an der Hütte in Deorali Mittagspause, assen energiespendendes Dal Bhat (Linsen- Kartoffel-Reisgericht). Hier übernachten wollten wir aber nicht (ich war nahe am Aufgeben). Die letzten zwei Stunden nach Sin Gompa tauschte Steven mit mir Rucksack (seiner wog unter 10 kg, meiner war voller Schokolade und Suppen für die nächsten 8 Tage). Nach schlappen acht Stunden hatten wir es geschafft. Uns allen drei taten Füsse und Gestell weh. Wir machten uns keine Mühe mehr, eine Lodge auszusuchen sondern bezogen die erstbeste am Ortseingang. Ich konnte nicht mehr (Steven schlief nach dem Duschen gleich ein, wir beiden anderen kurz nach dem Abendessen nach 20 Uhr ...)

    Die anstrengendste Etappe war geschafft. Die nächsten zwei Tage sollten wesentlich kürzer werden. Und den Weg bis Gosainkund kannten wir beide ab hier schon. Am nächsten Morgen war draussen dickster Nebel. Wir sassen mitten in den Wolken und liessen es erst mal gemütlich angehen. Sin Gompa besteht hauptsächlich aus Lodges für Touristen. Dazwischen finden sich ein paar Wohnhäuser und ein alter Hindutempel. Der schien allerdings nicht mehr in Benutzung zu sein. Die Türe war abgesperrt, durchs Fenster sah man viel Staub und zerbrochene Stühle rumliegen, die Fresken am Eingang waren verwittert, überall sammelten sich Spinnweben. Und ... der Ort hat eine Käserei. Irgendwann vor vielen Jahren haben die Schweizer in Nepal Käsereien gespendet und gebaut. Eine davon steht hier oben, verkauft frische Butter und Käse. Diesmal probierten wir erst ein Stückchen (beim letzten Mal schmeckte er ein wenig trocken) und kauften dann gleich ein halbes Kilo. Sehr lecker :-))) Die Sonne zeigte sich und wir drei machten uns auf den Weg. Durch lichten Wald fast ebenerdig ein Stündchen nach Cholang..... Bisher standen hier zwei halbverfallenen alten Hütten, in denen man übernachten oder jausen konnte. Mittlerweile wurden drei komfortabel aussehende Berghütten gebaut. Kurze Teepause, Ratsch mit einem der Lodgebesitzer über aktuelle nepalesische Politik und die laue Trekkingsaison. Danach gings wieder steiler einen breiten Weg nach Laurebina Yak (3900m) hinauf. Der führt eigentlich durch wunderschönen Rhododendronwald, an diesem Tag aber nur durch dicke Wolken. Irgendwann begann es zu nieseln und wir waren froh, als wir nach weiteren 1 1/2 Stunden endlich an unserer Zielhütte waren. Mittag war gerade mal vorbei ... aber wir sassen in immer stärker werdendem Regen fest. Dumm. In der Stube brannte zumindest ein Holzofen. So konnten wir uns und unsere Jacken trocknen. Vom tollen Panorama Richtung Tibet sahen wir nichts. Dafür war in unserer Lodge ein reges Kommen und Gehen. Immer wieder kamen Träger vorbei, die sich am Feuer aufwärmten, bevor sie ihre Waren weiter bis Gosainkund schleppten (derzeit bekommt ein Sherpa umgerechnet 9 DM für 30 kg pro Tag bezahlt).

    Schon bei unserer Ankunft trafen wir auf zwei Israelis, die wir am vergangenen Tag kennengelernt hatten (da waren sie zwei Stunden Umweg gelaufen, weil sie ihren Trägern aus Dunche den Weg nicht geglaubt hatten, diese hielten sie für zu jung zum Bergführen). Sie waren mit zwei jungen Trägern unterwegs, wollten heute noch bis ganz hinaufsteigen da sie am morgigen jüdischen Feiertag nicht zu Fuss gehen durften. Der Regen draussen liess ein wenig nach und sie begannen den Aufstieg, ihre Träger starteten eine Stunde später ... nach einer Weile kamen die beiden Touristen völlig durchnässt alleine wieder zurück, ihre beiden Helfer hatten sie in Regen und Nebel verpasst. Die waren bis ganz nach oben gelaufen, kamen im Stockdunkeln einige Stunden später wieder nach Laurebina Yak hinunter. "Die beiden Israelis hätten sonst keine trockene Kleidung zum Umziehen" meinten die zwei Jungs ... sie selbst waren nur mit Hemd und kurzen Hosen bekleidet, ohne jegliche Wechselkleidung, viel zu leicht für das nasskalte Wetter. Ich war beeindruckt von so viel Loyalität, die beiden Israelis überschwenglich dankbar.

    Am kommenden Morgen war dann strahlendster Sonnenschein und .... Fernsicht !!!! Von Annapurna (8091m) über Manaslu (8163m), Ganesh (7406m) bis zum Langtang Lirung Gletscher (7234m) leuchteten uns orangegolden die Zentralgipfel des Himalaya entgegen. Es war unbeschreiblich schön. Frühstück und nichts wie los ... da zogen vom Pass her schon wieder Nebelschwaden herunter. Wir starteten in die Wolken hinein, bald wieder ohne Sicht. Nach dreieinhalb Stunden gemächliches Wandern bergauf, immer wieder Stops für Schokolade und zum Ausschnaufen, kamen wir in Gosainkund an. Steven war ein bisschen schwindlig, nach einem Schläfchen und Essen gings ihm besser. Håkans Kopf fühlte sich leicht an. Ich merkte von der Höhe gar nichts.

    Inmitten einer bizarren Felslandschaft am Laurebina La zwischen Langtang und Helambu (La = Pass) liegen drei Seen und unzählige kleine Teiche. Der Legende nach entstanden die Seen durch den Dreizack des Hindugottes Shiva, als er hier über die Berge wanderte. Sie sollen sogar eine Verbindung zum heiligen Wasserbecken in Patan haben. Der Ort wird Gosainkund genannt (viele Seen). Jeden Sommer pilgern Tausende Nepalis und Inder hier herauf. Pilgerunterkünfte und Trekkinghütten sind dann übervoll, die flachen Stellen um den oberen See herum stehen voller Zelte. Jetzt zur eigentlichen Hauptsaison Anfang Oktober, fanden sich nur wenige Touristen hier oben. Die fünf Hütten lagen still am Anfang des oberen Sees. Die vormals barackenartigen Pilgerunterkünften waren zu kleine Steinhäuser erweitert geworden. Die Menschen hier oben schienen an den Touristen gut zu verdienen. Die Berghütten sahen wetterfester aus, Anbauten waren dazugekommen. Wir zogen in "unsere" vom letzten Mal. Die Speisekarte war um Nudel- und Kartoffelgerichte erweitert worden, die Zimmer waren immer noch zugig und kalt. Hakan und Steven verbrachten den Nachmittag um den Ofen, ich verratschte mich im Nachbarhaus mit anderen Bergsteigern. Draussen regnete es immer wieder und war ungemütlich kalt. Am Abend begann es sogar zu schneien. In unserem Zimmer hatte es nur mehr wenige Grade über Null. Brrrr. Was tut man nicht alles für seine Gesundheit...

    Wir drei wollten einige Tage hier oben bleiben ... am nächsten Morgen war Steven weg. Wir fanden einen Brief unter unserer Türe. Er hatte über Nacht so heftige Kopfschmerzen bekommen, dass er schon vor einer Stunde los ging hinunter Richtung Dunche, ohne Frühstück. Wir waren sauer und ziehmlich besorgt. Hatten gedacht, Steven sei klar dass wenn einer krank wird wir alle drei absteigen und nicht einer alleine losstiefelt. Zudem war er am vorigen Nachmittag etwas wackelig auf den Beinen gewesen und wir sahen ihn schon in einer Schlucht unten liegen. Wir also Rucksackpacken, frühstücken und nichts wie hinter ihm her. Runter geht's schneller als rauf. Nach einer Stunde waren wir in Laurebina Yak. Ich machte hier Basislager, Hakan lief ohne Gepäck weiter hinunter, kam aber nach einer halben Stunde schon wieder. Er traf auf eine Trekkinggruppe, denen Steven in Sin Gompa eine Nachricht für uns mitgegeben hatte - er sei unterwegs nach Kathmandu und wollte den nächsten Flug nach Bangkok nehmen ... !? Der Hüttenwirt telefonierte für uns mit dem Hotel in Dunche (sind mittlerweile alle per Antenne und schnurlosen Telefonen verbunden, praktisch). Es war kurz nach zwei Uhr und Steven war schon unten angekommen. Es tat ihm furchtbar leid, uns so einen Schrecken eingejagt zu haben. Er hatte Panik bekommen, da sein Kopfweh immer stärker wurde (wir hatten ihm die Gefahren von Höhenkrankheit wohl zu ausführlich beschrieben). Für ihn war klar, er muss runter vom Berg und sofort zurück nach Kathmandu (500 Meter absteigen hätten wahrscheinlich gereicht). Uns wollte er damit nicht behelligen, da er wusste, wie wichtig Aklimatisieren für unsere geplante Tibettour war. So war er die ganzen 2400 Höhenmeter nach Dunche in sechs Stunden am Stück abgestiegen (+ 200 m wieder rauf). Wir waren ein wenig traurig und hofften, ihn wenigstens in KTM nochmals zu treffen. Leider wurde daraus nichts. Als wir nach knapp einer Woche wieder in die Hauptstadt kamen, war Steven schon in Thailand. Wie er uns später schrieb, war ihm in Gosainkund klar geworden wie wenig er auf eine Tour nach Tibet vorbereitet war. Er fühlte sich körperlich überfordert und hatte für das kalte Klima nicht die passende Ausrüstung dabei. Eigentlich ja gut, dass er die Fahrt nicht riskierte. Traurig war ich dennoch, ohne ihn nach Tibet zu fahren. Er ist ein interessanter Geist.

    Am selben Nachmittag stiegen Hakan und ich mit unseren Rucksäcken wieder nach Gosainkund hinauf. Ich im Schneckentempo. Zum ersten Mal in meinem Leben spürte ich die Höhe. Hat mich ja schon gewurmt. Aber für's Höhentraining waren wir schliesslich hier rauf gekommen. Wir liessen uns Zeit, genossen die Farben der Blumen, sahen Erdhörnchen rumsausen, betrachteten die Formen der mossüberwachsenen, von Wind und Wetter zerfurchten Felsen. Ich bin in diese Gegend ganz vernarrt und wollte gar nicht mehr weg (war natürlich Quatsch, denn das viele Frieren dort oben liebte ich kein kleines bisschen). Übrigens wachsen dort oben hellblau gestreifte Enzian und richtige EDELWEISS !! Ich dachte erst, ich hätte mich in die Alpen verlaufen. War aber nicht so. Nach dem Monsun waren die oberen Bergwiesen zwischen 3500 und 4000 Meter Höhe voll davon. Blau, dunkelweiss und dazwischen pinkrotes Erika ... fast wie daheim ;-)

    Håkan und ich blieben noch zwei Tage in Gosainkund. Einen Tag schneite und regnete es fast ständig. So sassen wir um den lauwarmen Ofen in der Stube, tranken süssen Milchtee aus Haferln (die kamen mittlerweile auch in Nepals Berghütten an) und ratschten mit anderen Wanderern. Ein österreichisch/argentinisches Paar kam zum Aklimatisieren hier hoch, bevor sie mit einer argentinischen Gruppe von Kathmandu nach Lhasa radeln (wir trafen sie zwei Wochen später in Tingri/Tibet, 30 Radler + BegleitLKW ...). Ein ständig Videos filmender Holländer war mehr oder weniger als Notlösung beim Wandern hier oben. Nachdem die USA mit Afghanistan Krieg anfingen, wollte er nicht wie ursprünglich geplant den Karakorum Highway hinaufradeln. So beschloss er, es einmal mit Bergsteigen zu versuchen und war völlig begeistert. Allerdings stieg er zu schnell auf und sass bei Bier und Aspirin mit Kopfweh in der Hütte. Weniger Bier und nochmal absteigen wären vielleicht besser gewesen. Ein Amerikaner wollte auf einen 5000er Gipfel von Gosainkund steigen ... und fand keinen Weg hinauf. Ein junges amerikanisches Pärchen kam gerade von einem Jahr Arbeiten in Japan, waren unterwegs zurück nach USA. Sie schminkte sich jeden Morgen beim Frühstück und beide waren jeden Abend von Bier und nepalesischem Whiskey bedudelt. Ein israelisches Pärchen erzählte uns von den Schwierigkeiten mit den orthodoxen Juden in ihrem Land und dass diese sich nun nicht mehr dem Militärdienst entziehen können, da es nun extra eine koscher koschere Küche für sie gibt (die normal koschere war ihnen nicht koscher genug ...). Eine ca. 60 jährige "professionelle Malerin" war mit einem Träger unterwegs auf der Suche nach interessanten Motiven. Sie versuchte, ihre Aquarelle den vorbeikommenden Wanderern zu verkaufen. Wir trafen Martha, die sich für die aktuelle Politik ihrer USA-Regierung schämte, hin- und hergerissen war zwischen weiterfahren nach Tibet oder noch einen Monat in Indien verbringen, bevor sie sich mit ihrem Freund in Thailand treffen wollte.

    Am zweiten Tag schmolz der Schnee weg, die Wolken liessen blauen Himmel durchblicken und wir beide spazierten hinauf zum Laurebina La, 4600 m. Zum ersten Mal konnte ich hinunter in die Täler von Helambu sehen (die waren beim letzten Mal in Wolken). Und weil's so schön war, schnauften wir am Abend nochmal auf einen Aussichtsbuckel hinter unserem Haus hinauf. Abschiedsblick auf die Schneegipfel an der tibetischen Grenze und hinüber nach Langtang. Ich sog Licht und Landschaft noch einmal in mich auf. Am nächsten Tag wollten wir uns auf den Rückweg machen. Wir hatten von Frieren, überteuertem Essen und unfreundlichen Hüttenleuten genug. Wir wollten endlich an unserer Tibettour weiterbasteln.

    Nach fast vier Tagen in Gosainkund stiegen wir ab, zurück zu Lärm und Menschenmassen der Täler. Der Tag begann mit strahlendem Sonnenschein und grandioser Fernsicht! Von Gosainkunds Seen bis zur kleinen Gompa auf halbem Weg nach Laurebina Yak wars noch recht kalt. Den Abkürzungsweg hinunter nach Cholang begleiteten uns die Gletscher von Ganesh und Langtangmassiv. Ich musste immer wieder stehen bleiben und schauen. Schauen und gleichzeitig auf den Weg achten brachte ich nicht zusammen. Da kam uns eine Nepalin mit schwer beladener Kraxe einen Pulli strickend entgegen! Zum Maschenzählen blieb sie kurz stehen, dann ging sie weiter als sei's eine breite Teerstrasse und kein steiler, steiniger Trampelpfad. Wir machten kurze Rast in Cholang, kauften nochmal Käse in Sin Gompa und fielen völlig erschöpft in Deorali auf die Bank. Stundenlang nur steil bergab gehen waren unseren Oberschenkeln zu viel (und meine Füsse voller Blasen, trotz eingelaufener Bergschuhe). Ausgiebiges Mittagessen und weiter gings. Ganz hinunter zum Fluss .... und da wurde der Weg flach. Uiiiii. Unsere Muskeln hatten vergessen, wie sie sich auf flachem Grund koordinieren sollten. Die ersten paar hundert Meter wackelten wir wie Kleinkinder den Weg entlang. Und dann gings auch noch die 200 Höhenmeter wieder nach oben. Wir mussten lachen, obwohl uns schon alles weh tat. Es sah einfach zu lustig aus, wie wir beide daher eierten. Um acht Uhr morgens waren wir in Gosainkund gestartet, um fünf Uhr Abends kamen wir zurück in Dunche. Uff. Uns taten alle Muskeln weh.

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Endspurt nach Tibet

    Wieder zurück in Kathmandu (endlose Busfahrt, die Strasse war immer noch nicht repariert) hatten wir dann doch noch Glück. Wir fanden drei andere Leute, die mit nach Tibet wollten und konnten endlich den Jeep aus Lhasa buchen. Hatten die Hoffnung schon fast aufgegeben. Tom aus England, war gerade mit seinem Jurastudium fertig und zog die verbleibenden 5 Monate bis zum Jobanfang nochmal in Asien rum (+ Skifahren in Kanada und der Schweiz ...), kam gerade vom Annapurnacircuit, war also akklimatisiert. Noah aus USA, hatte bei einer Consultantfirma gearbeitet, machte nochmal ein halbes Jahr Reisepause bevor er mit seiner Freundin in eine andere Stadt zusammenziehen wollte (die war leider nicht auslandsreisefreudig), war früher schon Höhenbergsteigen und wusste seinen Körper zu lesen. Martha aus USA, Chemikerin, kannten wir ja aus Gosainkund, hatte ihren Job gekündigt um einige Monate in Indien, Nepal und Thailand reisen zu können bevor sie neue Arbeit und vielleicht mit ihrem Freund (der sagte den gemeinsamen Thailandurlaub ständig ab und zu und ...) zusammen ziehen (oder nach Alaska zum Arbeiten geht; hätte beinahe kein chinesisches Visum mehr bekommen), war noch vor ein paar Wochen in Ladakh auf 5000 m Höhe wandern. Håkan, langhaariger Wikinger, kann sich nicht entscheiden zwischen Computer und der grossen weiten Welt, so verbindet er sie einfach. Bettina, Bayuvarin mit indischen Genen, die auf dieser Reise unter anderem ihre Leidenschaft fürs Schreiben entdeckte. Wir fünf waren eindeutig Fügung. Besser hätten wir uns gar nicht treffen können.

    Sechs Tage dauerte es dann doch noch, bis wir loskamen. Proviant und Winterkleidung einkaufen (The Asian Face - garantiert kopierter Fleece;-), emailen und nochmal Leute treffen liessen die Zeit verfliegen. Helene war aus Pokhara zurück. Sie war zum Anapurna Basecamp gewandert, überlegte sich ob sie vor dem grossen Hindufestival noch Kajaken sollte (Desai dauert 14 Tage). Und dann schrieb mir plötzlich Ute (die wir aus Dharamsala kannten), dass sie in Peking festhing (Swissair konnte nicht mehr fliegen), einen Billigflug via Bangkok nach KTM nimmt und in einigen Tagen ihre Reisegruppe in Nepal abholen soll. Überraschend baldiges freudiges Wiedersehen :-) Ich holte sie vom Flughafen ab. Später begleiteten Helene und ich sie noch zum tibetischen Flüchtlingslager. War interessant, in so eine Einrichtung schauen zu dürfen. Am Tag vor unserer Abreise fuhren Helene, Tom, Noah und ich nach Patan, eine der drei Königsstädte im Kathmandutal. Ich mag dessen alte Stadtteile, den goldenen Tempel mit seinem kleinen buddhistischen Kloster, die verschieden verzierten Tempel des Durbar Square, den restaurierten Palast (beherbergt nun ein excellentes historisches Museum). Wieder in Kathmandu drehte ich noch meine übliche Abschiedsrunde. Zu meinem Lieblingsstupa in Bodnath hab ich es diesmal leider nicht geschafft. Ich vermisse es immer noch. So bald werde ich wohl nicht mehr nach Nepal kommen, irgendwann aber bestimmt.

    Wieder mal Abschied von Freunden und los gings. Am 13. September nahmen wir den Bus zur chinesischen Grenze nach Kodari. Der Arniko Highway dorthin wurde mit chinesischer Hilfe gebaut (die sind Meister darin, sich ihren politischen Einfluss in die Nachbarländer mit Strassenbau zu zementieren). Die Strasse zog sich schier endlos die Täler hinauf, an Dörfern, sattgrünen Reisfeldern und vielen Wasserfällen vorbei, durch tiefe Schlaglöcher und immer wieder über Reste von Erdrutschen drüber. Dann lief einer Passagierin auch noch ihr Benzinkanister aus und der Bus stank bestialisch (Benzin landete auch auf unseren Rucksäcken). Am "Last Resort" hielten wir kurz an. Es ist eine Art Sporttreffpunkt für Backpacker, wo man sich mit Kajak, Bungee, Mountainbike austoben kann und Abends beim Bier zusammensitzt. An einer Hängebrücke über der tiefen Schlucht zum Fluss ist eine Bungeejumpanlage gebaut. Als unser Bus vorbeifuhr, bereitete sich gerade ein Tourist auf seinen Sprung vor. In Nepal heisst dass: der Bus hält erst mal am Strassenrand und alle Passagiere, Nepalis und wir Touristen schauen dem Verrückten zu wie er sich an einer Leine in die Tiefe stürzt und in der Schlucht verschwindet. Nach Beendigung des Sprungs steigen alle Fahrgäste wieder ein und der Bus setzt seine Fahrt fort. Hätte zu gerne gewusst, was Nepalis über diese Menschen denken, die sich an einer Leine in die Tiefe stürzen ... wenn sie sich überhaupt Gedanken darüber machen.

    Kodari ist ein typischer Grenzort. Potthässlich, etwas dubiose Stimmung, schäbige Hotels mit schlechtem Essen, heruntergekommene Häuser, schlangestehende LKWs entlang der einzigen, von Nässe aufgeweichten Strasse. Håkan und ich stopften erst mal alle Astlöcher in den Wänden unseres Zimmers zu. Man kann ja nie wissen. Es begann wieder zu regnen. Am Ende des Tals an einer hohen Bergwand klebte der erste tibetische, äh chinesische Ort nach der Grenze. Dram, oder auf chinesisch Zangmu. Chinesische Betonblöcke im Gegensatz zu den nepalesischen Holzhäusern ... Eine seltsame Stimmung machte sich in mir breit. Ich wusste nicht, was ich von dem Land hinter der Grenze erwarten sollte. Wieviel Polizei, wieviel Militär wird es geben, wieviel Zerstörung, wieviel Leben werden wir sehen? An dieser Grenze würde ich morgen den mir vertrauten, freundlich gesinnten Teil Asiens verlassen und mich in völlig Unbekanntes begeben. Den Abend verbrachten wir fünf mit Kartenspielen. Nachts träumte ich mehr wirres Zeug als gewöhnlich ...

    Einen Tag brauchten wir um die Grenze zu überqueren. Am Darauffolgenden standen wir auf dem Lamna La, 5200 m, blickten zurück nach Süden .... und hatten uns durch das zentrale Band des Himalaya mit seinen Sieben- und Achttausendergipfeln hindurchgezwängt. Ich stand zum ersten Mal in meinem Leben auf der Nordsteite des Himalaya :-) Eine ganze Kette weiss leuchtender Gletscher lag HINTER uns!

    Für heute ist's genug. Den Weg durch Tibet beschreibe ich Euch beim nächsten Mal. Es gibt noch vieles zu erzählen.

    Viel Vergnügen beim Lesen und liebe Grüsse von
BETTINA

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