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Chaosland Pakistan

Der Versuch, Pakistan zu begreifen
Unsanfte Landung in der harten Wirklichkeit
Baluchistans Hauptstadt Quetta
Zugfahr durch die Hölle
Durch Pindi hindurch direkt in den nördlichsten Norden
Almabtrieb und Bergsteigen in Passu
Touristenort Karimabad
Kurzer Stop in Gilgit und zurück nach Islamabad
Hitze und Mangosaison in Islamabad
Kurzer Halt in Lahore
Noch einige Gedanken
Skurille Geschichten zum Abschluss
The End

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Subject: 
"Bettina Schmitz" <->
Sun, 19 Aug 2001 15:11:35 +0530
Chaosland Pakistan

    Servus alle miteinander!

    Nach einigen technischen Schwierigkeiten und einer längeren Schreibpause kommt nun endlich das TRAVELUPDATE PAKISTAN. Ausserdem haben wir nun eine eigene Domain mit unserer Reisehomepage: http://wegototrip.to/

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Der Versuch, Pakistan zu begreifen

    Um zumindest ein vages Bild von diesem Land zu bekommen, muss man sich seine politische Geschichte ansehen. Pakistan existierte als geografisches Land vor seiner Gründung im August 1947 nicht. Unzählige ethnische Gruppen und Stämme wurden damals zu einem politischen Land vereint, mit dem Ziel, den islamischen Indern (und anderen islamischen Volksgruppen der Region) einen eigenen Staat zu geben. Und wie die Geschichte uns immer wieder bestätigt, werden (meist von Kolonialherren) künstlich gezogene Staatsgrenzen oft zu Dauerkonfliktzonen (siehe viele Staaten in Afrika, Israel, Syrien, Balkan ...). In den Jahrhunderten zuvor regierten die Stämme der Region sich weitgehend selbst oder lebten auf dem Territorium von wechselnden Maharadschas. Selbst die Engländer scheiterten während ihrer Kolonialzeit beim Versuch, die Gebiete entlang des Indusflusses unter funktionierende Kontrolle zu bringen. Der "Staatsgründer" Mohammed Ali Jinnah (politische Grösse des indischen Reiches zur Kolonialzeit) starb unerwartet ein Jahr nach Pakistans Gründung, ohne klare politische Visionen und damit Orientierung für seine NachfolgerIn zu hinterlassen. Raufte sich Indien nach der Unabhängigkeit politisch zusammen, begannen in Pakistan ideologische und monetäre Machtspiele. Bis heute streiten sich die politischen und religiösen Geister, ob Pakistan ein islamischer oder sekulärer Staat sein soll. Bis heute hat keine einzige Regierung, war sie demokratisch gewählt oder militärisch, ihre Legislaturperiode überlebt. Staatoberhäupter wurden rausgeputscht, aufgehängt, mussten zurücktreten, starben in seltsamen Unfällen. Einer legte nach Monaten sein Amt nieder, er hatte die Schnauze voll von all dem Machtgeklüngel. 1988 tauchten im ganzen Land an Häuswänden Graffitis auf, die besagten: "Wir entschuldigen uns für die zeitweilige Unterbrechung durch die Demokratie. In Kürze kommen wir wieder zur normalen Militärregierung zurrück." Benazir Bhutto's Kommentar zu den Vorwürfen von Korruption und Amtsmissbrauch ihrer Regierung (sie musste zurücktreten, wurde vor einigen Wochen wegen Steuerhinterziehung verurteilt ...): "Wenn wirklich Korruption herrschte, warum hat mich keiner darüber informiert?" ...

    Liest man heute Zeitungen in Pakistan, scheint sich die Situation seit 40 Jahren kaum zu verändern. Das Land steckt tief in Willkür und Korruption. Reiche mit politischer Ambition ergattern auf legalen oder illegalen Wegen gut dotierte Posten, scheffeln so viel Geld wie möglich in so kurzer Zeit wie möglich ... bis jemand anderes sie vom politischen Parkett fegt.

    Im Land leben heute etwa 130 Millionen Menschen. So genau kann das aber keiner sagen. Die letzte Volkszählung fand 1998 statt (davor 1981). Die Brauchbarkeit ihrer Ergebnisse sind allerdings fraglich. Um mehr Sitze in den verschiedenen kommunalen und staatlichen Parlamenten zu bekommen, addierten einige Bundesstaaten kurzerhand mehrere tausend Menschen zu ihren Erhebungen dazu.

    Die Regierung gibt jährlich nur 2,2 % des Bruttosozialprodukts für Bildung aus (UNESCO rät mim. 4%). Schulen werden zwar gebaut und mit viel Pomp eingeweiht. Danach unterrichten in ihnen allerdings schlecht ausgebildete Lehrer (die so gut wie nichts bezahlt bekommen) oder die Gebäude bleiben leer. Als Ergebnis dieser Politik können nur 48% der Männer und 23% der Frauen lesen und schreiben (als gebildet gilt allerdings schon derjenige, der seinen Namen schreiben kann ...) Wer sichs leisten kann, schickt seine Kinder auf eine Privatschule. Die ismailischen Orte in den Hunza und Gojal Tälern haben es etwas leichter. Ihr derzeitiges geistiges Oberhaupt, Agha Khan, hat ein Netz von Schulen und Sozialeinrichtungen aufgebaut. Und es wird ständig erweitert. Dementsprechend unterschiedlich ist auch der charakterliche und geistige Bildungsstand zwischen den Menschen der Bergregionen und der südlichen Hälfte des Landes.

    Im Gesundheitswesen siehts noch schlimmer aus - 0.8% des BSP. Pakistan hat eine der höchsten Sterblichkeitsraten von Neugeborenen, Kinder, Müttern, global gesehen. Ärzte lassen sich viel Geld für wenig Behandlung bezahlen. Der Staat gibt mehr Geld für Administration als für Ausbildung der Mediziner aus.

    Pakistan hinterlies einen zwiespältigen Eindruck in uns. So zweigeteilt, wie auch das Reisen in diesem Land war. Einige von Euch schrieben mir vorher, dass dies der schwierigste Teil unserer Reise wäre. Ich hab´s zuerst nicht so ganz verstanden, was wohl damit gemeint sein sollte. Die politische Situation im Land war für's Reisen kein Problem (abgesehen, dass wir uns von der Polizei so fern wie möglich hielten). Aber die Menschen in der Südhälfte ... äh, die Männer genauergesagt (Frauen sind dort auf der Stasse kaum sichtbar, vielleicht eine unter 300 Männern). Dieses Land ist ein Vorzeigebeispiel dafür, was falsch ausgelegte und aufdoktroierte islamische Geschlechtertrennung für Verkrampfungen in Männerseelen anrichtet. Ich bekam das in den Männern vorherrschende Bild von ausländischen Frauen zu spüren, durch westliche Medien und Sexfilme geprägt. Westliche Frauen sind immer und überall willig und frei zum sexuellen Gebrauch. Noch nicht gewusst? Es war widerlich. (manche Situationen erinnerten uns stark an Ägypten, obwohl, dort hat man wenigstens eine Polizei die hilft ... ).

    Die Berge im Norden sind allerdings der absolute Hit! Nun verstehen wir, warum uns so viele Reisende die wir trafen von Pakistan vorschwärmten - die meinten die Täler und Bergketten im Norden mit ihren alten Völkern und Kulturen und blendeten den Rest des Landes aus.

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Unsanfte Landung in der harten Wirklichkeit

    So gingen wir also am 14.5. um die Mittagszeit zu Fuss durch ein verrostetes Eisentor zum pakistanischen Grenzhaus hinüber. Ich freute mich auf das neue Land, war neugierig wie es wohl so ist. Die Grenzer hatten gerade Mittagspause, wie das so ist am einzigen Grenzübergang zwischen zwei Ländern .... Zwei Stunden lang sassen wir auf einer Bank unter einem Dach und warteten. Eine Schottin (ist auf dem Land/Seeweg unterwegs nach Australien) und ein Deutscher, der gerade aus Afghanistan kam gesellten sich zu uns. Und natürlich umringten uns ca. 20 Pakistani die in gutem Englisch Geld wechseln wollten (schwenkten bündelweise ihre U$ und PRupee Noten), Bustickets in die nächste Stadt verkauften und neugierig waren auf unser Woher und Wohin. Die Atmosphäre war heiter und entspannt (abgesehen von der unerträglichen Hitze und einem vorbeiziehenden Sandteufel, der einschliesslich uns alles im Umkreis von 200 Metern in feinen Staub und groben Müll einhüllte). Die nach der Mittagspause erholten Grenzer waren nett und versicherten mir mehr als einmal, dass ich in IHREM Land kein Kopftuch und Mantel tragen müsste (mit einem ironischen Blick hinüber zum Iran). Um 15 Uhr waren wir durch mit allen Formalitäten. (Visum für Pakistan braucht man übrigens keines mehr vorher beantragen. An jeder Grenze und jedem Flughafen bekommen Touristen ein 30-Tage-Visum umsonst. Das kann dann für wenig Geld im Land bei Bedarf verlängert werden. Sehr bequem.)

    An einem kleinen Stand genossen wir unsere erste PepsiCola nach fünf Wochen. Man merkte sofort, dass in Pakistan kein Embargo den internationalen Handel blockiert. Dann kam die Nerverei mit dem Bus. Wir buchten einen direkten, über Nacht nach Quetta, der Hauptstadt von Baluchistan. Håkan liess sich beim Ticketkauf die Sitze zeigen, in der Mitte des Busses. Wir vier wurden beim Einsteigen dann nach hinten verfrachtet, sollten zum Ausgleich für die Enge jeder zwei Sitze bekommen. Der Bus wurde natürlich mit Kisten und Männern heillos überbelegt (das beladene Dach verdoppelte fast seine Höhe). Nach langer Streiterei mit dem Idioten von Ticketverkäufer landeten wir trotzdem auf der hinteren Sitzbank. Grossartig. Das ist so ziehmlich das unbequemste was einem in asiatischen Bussen passieren kann. Pakistan Lektion 1: glaube keinen Aussagen von irgendwelchen Busfahrern/Ticketverkäufern/Händlern. Sie sind alle Lügner und erinnern sich nach einer Minute schon nicht mehr an Abmachungen.

    Wir fuhren los ... und ich sehnte mich jetzt schon zurück in den modernen höflichen Iran ... schnieff. Ernüchtert fuhren wir mitten hinein in ein Entwicklungsland "übelster" Sorte. Der Grenzort Taftan bestand aus halbverfallenen Lehm- und Betonhütten. Die Strassen dazwischen waren ausgetretene Sand/Batz-Wege. Bretterbuden stellten sich als Geschäfte heraus. Die Wege voller Menschen in gleichförmigen langen Hemden und weiten Hosen mit Varianten von Kopfbedeckungen, keine einzige Frau sichtbar, auch keine Mädchen. Gut, dass wir hier nicht übernachten mussten (da sah ja Mirjave auf der iranischen Seite noch einladender aus...) Die Hauptverbindungsstrasse durch diesen westlichen Teil Pakistans zur nächsten Hauptstadt war dann auch nicht viel besser. Der grösste Teil der Strecke war nicht geteert und wenn, dann voller unzähliger Schlaglöcher und holprigen Ausbesserungen. Wir hielten an: vor Sonnenuntergang zum Beten, nach Sonnenuntergang zum Beten (die meisten im Bus stiegen aus. Die einen beteten in der Wüste, die anderen bieselten in die Wüste, nebeneinander). Nach Einbruch der Dunkelheit hielten wir dann an einer "Raststätte". Hatten wir im Iran an solchen des öfteren Abend gegessen, liessen wir's hier lieber bleiben. Das Restaurant bestand aus einem halboffenen Bretterverschlag, irgendwelche Pampe wurde aus Kesseln geschöpft, gegessen wurde auf staubigen Bastmatten am Boden. Toilette gab es dort keine (wobei es in Pakistan generell keine öffentlichen Toiletten gibt. Oh, wie sehnte ich mich zurück nach iranischer Hygiene ...). Draussen unterm blassen Sternenhimmel war es genauso heiss wie drinnen im Bus. Die Nacht war dann gar nicht so übel im Bus. Wir waren zwar komplett nassgeschwitzt und schliefen wenig. Unser Banknachbar der vorderen Reihe machte Witze über das Gehabe des Busbegleiters, bot uns eisgekühltes Wasser an und hielt von uns zwei Frauen höflichen Abstand. Die Männer im Bus (Rachel und ich waren die einzigen weiblichen Reisenden) waren eine bunte Mischung aus Baluchistanis, Taliban (sehen mit ihren langen, schwarzen Bärten, den durchdringenden dunklen Augen und grossen Turbanen aus wie Wilde aus einem alten Karl May Film), Exilafghanern und alle möglichen anderen Pakistanern aus diesem Teil des Landes. Viele sahen uns mit durchdringender Neugierde an, hielten aber Abstand.

    Wir vier diskutierten stundenlang unsere Reiseerlebnisse, die politischen Wirklichkeiten die wir zu Gesicht bekommen, was die unterschiedlichen islamischen Ausprägungen für unterschiedliche Einflüsse auf die Menschen haben. Phillip berichtete über seine zwei Wochen durch Afghanistan ähnliches wie die zwei Reisenden, die wir in Mashad trafen. Die von Taliban kontrollierten Gebiete sind paradoxerweise sicher, einige Gruppen scheinen zum Aufstand im Sommer zu rüsten, Transportmittel gibt es wenig, die meisten Strassen sind zerstört, die Bevölkerung sehnt sich nach Frieden. Ich genoss es, endlich wieder mit anderen Reisenden tiefgreifende Gespräche zu führen :-))) (nicht das sonst übliche BlaBla von wegen "welches Teehaus fandest du am nettesten, die wissen hier einfach nicht wie man einen richtigen Burger macht")

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Baluchistans Hauptstadt Quetta

    Morgens um sieben Uhr kamen wir dann in der Stadt an. Der Bus hielt in einem Hinterhof. Wir wunderten uns sehr. Uns empfing unglaubliche Hitze, neugierig aber unfreundlich blickende Männer, absolutes Strassenchaos und Müll ohne Ende. Soviel Zeug liegt ja nicht mal in den Slums von Bombay rum. Wir fanden einen Bus ins "Zentrum", fanden ein billiges Hotel und sassen erst mal ernüchtert und leicht depremiert auf den Betten. Schon die ersten Stunden hier nahmen uns die Lust, dieses Land zu erkunden. Wir beschlossen so schnell wie möglich direkt hinauf in die Berge zu fahren, wenn's dort nicht anders ist nach Indien durchzudüsen. Verschwendung eigentlich für unsere Luxusvisum (drei Monate).

    Im Nachhinein gesehen, war diese Stadt für pakistanische Verhältnisse allerdings gar nicht so schrecklich. Die Männer auf der Strasse hielten Abstand von mir. Wir bekamen keine Anzüglichkeiten zu hören. Die Stimmung war zwar kühl aber o.K. Am späten Nachmittag konnten wir uns ins Quetta Serena zurückziehen. Ist ein Nobelhotel, das zwischen 15.30 und 19.00 Uhr Hi-Tee anbietet ... Büffet mit Salaten, verschiedenen kleinen warmen und kalten Speisen, Nachtische und Kuchen, samt Kaffee und Tee soviel man möchte für umgerechnet 4DM pro Person. So sassen wir dort jeden Nachmittag, begrüsst von dem wie aus tausend-und-eine-Nacht aussehenden Türsteher, die Klimaanlage geniessend, von höflichen Kellnern bedient und frönten des angenehmen Lebens. Eine Trauminsel inmitten der echten Welt. Nach drei Tagen hatten wir immer noch kein echtes pakistanisches Essen ausprobiert.

    Einen Nachmittag trafen wir dort einen Mitarbeiter der UN. Quetta ist Sammellager für afghanische Flüchtlinge. Manche sind schon seit 25 Jahren hier. Wir wurden eingeladen, mit ihm und einigen Bekannten zu einem Felsentempel am Stadtrand mitzukommen. Natürlich fuhren wir mit! Zwei Autos (einer davon ein grosser UN-Jeep), ein australischer Fotograf des Times-Magazin, ein britischer Mitarbeiter einer Hilfsorganisation für Umweltentwicklung, der britische UN- Mitarbeiter, ein befreundeter einheimischer Polizist und ein syrischer Medizinstudent (wuchs in Saudi Arabien auf und studiert hier seit 6 Jahren, wir lernten ihn am vorherigen Tag kennen), Rachel, Håkan und ich (Phillip war schon weiter gereist). Wir fuhren in einen Ortsteil, der komplett von Afghanern bewohnt ist. Ich schaute verwundert. Alle Menschen auf der Strasse (einschliesslich viele Frauen) sahen mongolisch aus ... sie gehören zu einer der Volksgruppen im Norden Afghanistans, und die sind ethnisch mit den Zentralasiaten verwandt. Wieder was gelernt.

    Eine Stunde lang stiegen wir den Berg hinauf zu einem für die Sunniten heiligen Platz. Wir kamen nach Sonnenuntergang an. Die Lichter der Stadt unter uns glitzerten wunderschön (starker Gegensatz zum Tageslicht...). Der UN-ler berichtete uns von seiner Arbeit. Er studierte internationales Menschenrecht, entscheidet hier seit vier Monaten über die Flüchtlingsanträge. Er liebt seine Arbeit. Aus Pakistan will er aber so schnell wie möglich weg. Die Menschen hier sind ihm zu militant. Er wohnt in einem bewachten Haus, Haushälterin kocht, ohne UN-Auto oder Begleitschutz sind die Strassen nicht sicher für ihn. Auf einen Kollegen wurde kürzlich ein Säureattentat verübt. Das Nebenhaus wurde vor zwei Wochen von einer Rakete getroffen - es gehörte einem Clanboss, der anscheinend unbeliebt war. Zu seinem Leidwesen wurde sein Arbeitsvisum nun bis Dezember verlängert. Als wir durch das Afghanen Dorf gingen, erkannten ihn einige Einwohner. Ihm war´s recht mulmig zumute. Die UN-Mitarbeiter hier werden als Symbol für amerikanische Macht gesehen und sie entscheiden über den legalen Status der Flüchtlinge. So oder so sind sie Angriffsziel für die verschiedenen Gruppen, die hier leben. Menschenliebe hin oder her - in diesem Bereich bei der UN zu arbeiten kann ein Sch...job sein.

    Als wir wieder im Dorf waren (stolperten mit Hilfe zweier Taschenlampen die Felsen hinunter) lud uns der Polizist ALLE zum Eis ein. Gastfreundschaft schien es also auch hier zu geben...

    Was wir sonst noch so in Quetta taten? Wir versuchten, die Hitze tagsüber durchzustehen, kauften Zugtickets, ratschten mit einem afghanischen Ladenbesitzer, stöberten durch Buchläden (endlich wieder englischsprachige Titel ohne Zensur!), freuten uns über funktionierende Internetverbindungen, nicht viel also. Und ich wurde im Hotel mal wieder von Männern genervt. Kaum war Håkan mal alleine draussen unterwegs, rumste auch schon jemand an meine Türe. Rein zufällig drückten sie die falsche Türklinke, nämlich meine, runter. Hätte ja sein können dass sie nicht abgeschlossen ist und dann hätten sie was zum Glotzen gehabt. Diese islamische Männerwelt wurde wirklich lästig. (Rachel passierte nebenan das gleiche. Sie schrie dann die Spanner zusammen)

    Nach drei Tagen besorgten wir uns ein Zugticket direkt nach Rawalpindi (Islamabad). Eigentlich wollten wir mit dem Bus fahren. Die Route wäre direkter und nicht ein Umweg durch die gesamte, heisse Indusebene. Seltsamerweise rieten uns selbst Reiseagenturen davon ab. Busfahren sei in Pakistan nicht sicher, Gepäck wird gestohlen und vielleicht bricht ja der Bus zusammen und wir kommen nicht weiter. Die schienen hier nicht viel von ihren Landsleuten zu halten. Zugtickets kaufen war recht amüsant. Im Gegensatz zu den anderen islamischen Ländern bekommen Touristen hier alle möglichen Vergünstigungen. Studenten erhalten auf Zugtickets 50%, andere Touristen 30% Rabatt, Inlandsflüge sind ca. 25% billiger. In diesen Genuss zu kommen bedeutet allerdings sich in die pakistanische Bürokratie zu stürzen. Wir fanden mit Hilfe von Rachel (die suchte sich am Morgen schon 1½ h durchs Gebäude) den zuständigen Menschen im PTDC-Office (ein altes, weitläufiges, englisches Gebäude, wichtig klingende Amtsbezeichnungen hängen über jeder Türe). Der erklärte einem Untergebenen gerade, wie dieser die verschiedenen Papiere in einer Bewerbungsmappe zu falten habe. Nach vielen Unterschriften, Hin- und Hergelaufe der Bediensteten, ratlose Schweigeminuten (die Unterschrift eines Oberbosses war nicht erhältlich da der schon beim Mittagessen war ... uns konnten sie aber nicht wegschicken), noch mehr Haken und Kreuze auf den Formularen und immer wieder Warten dazwischen .... bekamen wir endlich unser Stück Papier mit dem wir eine Ermässigungszugkarte kaufen konnten. 45 Minuten dauerte die ganze Prozedur (die Kollegen im Raum meditierten derweil über staubigen Aktendeckeln und Papieren, schoben wenige Male ein Papier von einer Ecke ihres Schreibtisches zur anderen. Arbeiteten die eigentlich was?). Wir gönnten uns diesen Spass nur einmal.

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Zugfahr durch die Hölle

    Uns standen zwei Nächte Zugfahrt bevor. Ich freute mich gar nicht drauf. Zwei Tage von Männern angegafft werden, durch den heissesten Teil des Landes fahren, nicht wissen ob wir in Ruhe schlafen können oder das Zugteil überfüllt wird. Wir hatten erste Klasse Schlafwagen ohne Klimaanlage gebucht. Die zweite Klasse Hardsleeper in Indien ist allerdings um einiges komfortabler! Es scheint, dass in Pakistan nicht nur die Gleise sondern auch die Wagons Überbleibsel der Engländer sind ...

    Nach einigem guten Zureden an den Bahnsteigaufseher, zeigte uns dieser endlich unseren Wagon. Auf unserem Ticket war keine Abteil- Nummer angegeben und im Bahnhof fand sich nirgends eine Infotafel (wie organisiert doch die Inder im Gegensatz dazu sind ...). Wir landeten in einem sechs-Personen-Abteil. Oh je, dachten wir zuerst. Es stellte sich für uns aber als Glücksgriff raus. In unser Abteil wurde eine dreiköpfige Familie gebucht, und wir hatten das einzige mit eigener Toilette/Waschbecken :-)

    Punkt Mittag fuhren wir bei Bruthitze los. Die Strecke führte Richtung Südwesten, vorbei an vergammelt aussehenden Afghanencamps, Wüste über die Sandteufel hinwegfegten, durch ein staubtrockenes Mittelgebirge hindurch direkt in die Hölle - Sibi. Der Himmel war gelb vor Hitze und Staub. Nach einer Stunde schon war ich klitschnass geschwitzt. Es sollte noch schlimmer kommen.

    Sibi ist einer der heissesten Orte in Asien. Im Sommer hat es dort oft um die 50 Grad ... und nun war Sommer (in MoenjoDoro wenige km weiter westlich hatte es 53 Grad). Ein persisches Sprichwort besagt: "Oh Allah, der du heisse Orte wie Sibi und Dadhar erschufst, warum sich die Mühe machen und die Hölle erfinden?" Es WAR die Hölle. Den ganzen Nachmittag brauchte der Zug, um die Ebene um Sibi herum zu durchqueren. Immer wieder blieben wir stehen. Ich weiss nicht wie heiss es wirklich war (wir haben kein Raumthermometer dabei). Auf jeden Fall ging es an unsere physischen Grenzen. Nun verstehe ich, wenn alte Menschen vor Hitze sterben. Bewegungslos sassen wir auf unseren Bänken. Drei Ventilatoren an der Decke wirbelten die Luft wenigstens ein paar Grad kühler. Bei jedem Atemzug hatte ich das Gefühl, dass überhaupt kein Sauerstoff in meine Lungen kommt. Das Wasser rann uns in kleinen Bächen den Körper hinunter. Selbst literweise trinken half nicht gegen den Durst. Wir fragten uns, wie hier überhaupt Menschen leben können. Es waren einige der schlimmsten Stunden, die ich je erlebte. Und es gab kein Entkommen. Hielt ich meine Hand aus dem Fenster, brannte mir die Haut fast weg (Wie hielten es nur die zwei Japaner aus, die wir in Bam/Iran trafen? Die besuchten die alte Stadt MoenjoDoro bei 53 Grad, ohne Schatten zwischen den Ruinen ...) Irgendwie überstanden wir den Nachmittag. Als wir näher zum Indus kamen und die Felder grüner wurden, fielen auch die Temperaturen (zumindest auf um die 40 Grad Schwüle). Nie wieder Südpakistan im Sommer!! Um noch eins drauf zu setzen, fuhren wir gegen Abend durch einen Sandsturm - das ganze Abteil war voller Sand, wir bekamen wieder keine Luft, das Schliessen der Fenster half den grössten Teil Staub und vor allem den umherfliegenden Müll draussen zu halten. Der Zug musste stehenbleiben bis der Spuk vorrüber war.

    Der Rest der Fahrt war erträglich. Den nächsten Tag war es zwar auch heiss. Wir waren eh ständig nassgeschwitzt und nach einer Weile gewöhnten wir uns daran, ständig im Nassen zu sitzen. Den zweiten Abend rauschte mit viel Geblitz und Gedonner ein Gewitterregen runter. Welche Wonne und Erlösung !!!!!!!!!

    Die Familie in unserem Abteil war nett. Sie stammten aus Aliabad. Mama mit 2½ jähriger Tochter und ihr Bruder. Sie besuchte ihre schwangere, kranke Schwester in Quetta. Und natürlich war sie ganz interessiert an Rachel und mir. Was wir so machen, ob meine Eltern bei unserer Heirat ihre Zustimmung geben mussten, was ich von Håkan zur Hochzeit geschenkt bekam (peinlich, peinlich), welche Essgewohnheiten wir haben, was ich zu Hause koche, warum ich in Quetta nichts einkaufte (die Stadt sei berühmt für seine Stoffe). Sie glaubt an die Liebe nach der Hochzeit, bekam einen kompletten Satz Goldschmuck von ihrem Mann (Ohrringe, Kette, Ring, Armreifen), er liebt sie und sie ihn, ihre Schwiegermutter verehrt sie. Allerdings mag ihr Mann nicht, wenn sie auf der Strasse ihr Gesicht unverschleiert zeigt, so tut sie´s nicht (in Pakistan tragen die Frauen meist weite Hosenanzüge in bunten Farben und Mustern, der dazu passende lange Schal wird um den Kopf getragen. Dunkel verschleierte, oder bedeckte Gesichter sahen wir erst im Norden). Wie verschieden doch die Kulturen sind. Håkan ratschte währenddessen mit dem Bruder. Der studierte Landwirtschaft, bekommt in Pakistan seit Jahren keine Arbeit, möchte nach Canada auswandern, der Einreiseantrag läuft.

    Als die Familie ausstieg, hatten wir schon vier Stunden Verspätung und das Abteil fast für uns alleine. Zweimal kamen andere Fahrgäste für ein paar Stunden, zum Glück nur höflich gebildete. Einer textete Håkan mit Koranauslegungen zu. Anscheinend wollte er ihn missionieren ... Und bei mir brannte eine Sicherung durch. Den ganzen Tag schon hingen Jungs an unseren Fenstern wenn der Zug langsam genug fuhr. Einer reichte mir seine Telefonnummer ins Abteil, die ich mit Genuss vor seinen Augen zerriss. Als ich dann an einem Bahnhof ausstieg und neues Wasser kaufte, streifte mich von hinten absichtlich ein Mann mit seiner vollen Körperseite an meiner vollen Körperseite entlang. Ich kickte ihm mit voller Wucht von hinten ins Wadl und schrie ihn an. Er drehte sich um und sah mich nur dumm an, genauso wie die umstehenden Männer. Mir passierte also nun, was ich oft von anderen Frauen gehört hatte, Ausländerinnen werden von den meisten als Freiwild angesehen (Eine Kollegin des UN-ler hatte im Markt von Quetta einen älteren Mann per Faustschlag ins Gesicht nieder gestreckt. Sie war es leid, ständig angetatscht zu werden). Ich beschloss, nicht mehr aus dem Zug zu steigen. Armer Håkan. Am nächsten Morgen brach meine Psyche dann endgültig zusammen. Ich wachte mit Agressionen und dem gestrigen Zwischenfall im Kopf auf. Na bravo. Zum Glück hatte ich Rachel zum Austausch. Sie hatte die gleichen Probleme mit diesem ständigen der islamischen Männerwelt ausgeliefert sein, dachte schon sie würde überreagieren auf die ständigen Anmachen, war froh, dass andere Frauen die selben Probleme haben. Wie man die hochkommenden Agressionen richtig nach aussen kanalisiert damit sie einen nicht von innen zermürben, wusste sie auch nicht.

    Nach 40 Stunden Zugfahrt, sechs Stunden Verspätung (die Gleise waren an einer Stelle von einem umgefallenen Turm blockiert) und etlichen Pausestops (mangels Zugrestaurant hält dieser an den grossen Bahnhöfen zum Essen. Kellner sausen durch die Abteile, nehmen Bestellungen auf und wenige Minuten, manchmal eine Haltestelle später, bekommt man sein Essen vom Bahnhofsrestaurant ins Abteil serviert. Komfortable Einrichtung) kamen wir morgens um vier Uhr in Pindi an. Der Himmel wurde gerade mal hellblau.

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Durch Pindi hindurch direkt in den nördlichsten Norden

    Zu dritt nahmen wir uns ein Taxi zu einem billigen Hotel. Wir waren völlig erschlagen von der Zugreise. Der Taxler streichelte Rachel die Schulter und mir ausführlich die Hand als er unsere Rucksäcke in Empfang nahm. Ich war zu müde um ihm eine runter zu hauen und bereue es heute immer noch, mir diese Frechheit gefallen lassen zu haben. Ich hätte ihm seinen kranken Kopf an sein Taxi knallen sollen. Als wir uns beschwerten bekamen wir die übliche dumme Antwort zu hören: "What touched? No touched." Mir reichte es da schon.

    Håkan und ich bezogen ein Zimmer für einige Stunden zum Ausruhen. Wir gingen am Vormittag dann los, Bustickets nach Gilgit zu besorgen. Rawalpindi ist eine hässliche Stadt. Voller Männer, die sich gegenseitig anrempeln, die Strassen vollgestopft mit jeder Art von Transportmittel. Uns wurden des öfteren blöde Kommentare zu gerufen. Ich hasste sie von Anfang an.

    Nachmittags um 16.Uhr fuhren wir dann weiter, mit einem sog. Coaster die Nacht hindurch hinauf nach Gilgit. Coasters sind Kleinbusse mit ca. 20 Sitzen. Wir folgten dem Rat unseres Reiseführers, der meinte dies sei das bequemste Transportmittel hinauf in die Berge. Naja. Unserer war alles andere als bequem. An Schlaf in der Nacht war nicht zu denken. Der Bus wurde ab der Hälfte überbesetzt, da hatten wir nur noch 1½ Sitze für uns beide. Der junge Busfahrer und seine Kumpane rauchten Hasch bis zum Umfallen und düsten über marode Strassen als fuhren sie Ralley. Beschweren hilft hier nichts. Man bekommt nur blöde lächelnde Gesichter und ein "no understand" (was häufig gelogen ist). Unsere einzige Hoffnung war, dass die Leute in den Bergen angenehmer sind.

    Raus aus Pindi gings erstmal durch ein Gewirr von Müllhalden, stinkenden Kanälen, Slums, Wasserbüffelherden, dazwischen immer wieder wohlhabend aussehende Häuser. Städteplanung und Abfallbeseitigung schien es hier nicht zu geben.

    Kurz nach der Stadt kam die Abzweigung zum Karakorum Highway - DER uralten Handelsstrasse hinauf durch das Karakorumgebirge nach China. Die 1200 km lange Verbindung von Pindi nach Kashkar wird von Pakistanis und Chinesen stolz als das achte Weltwunder bezeichnet. Anfangs war die Strasse noch recht gut geteert und ausgebaut. Sie wand sich langsam hinauf durch grüne Täler voller saftiger Wiesen und Felder, höher werdende Hügel. Die Luft wurde augenblicklich frisch und Atmen machte wieder Spass. Wir passierten kleine und grosse Orte ... und riesige, bis zu vier Stockwerke hohe Betongebäude ohne Wände, die sich als Hendlfarmen herausstellten. Nachts beleuchtet sahen sie aus wie grosse Hotels.

    1959 schon begannen die Pakistani mit der Anlage einer wetterfesten Strasse entlang der alten Sandroute durch das Karakorum. Schwierge Wetterbedingungen und fehlende Technik liessen sie schlecht vorankommen. 1967 sprangen dann die Chinesen ein, bauten die Strecke von Gilgit nach Kashkar (China). 1978 war dann die Strecke komplett. Seit 1986 dürfen auch Ausländer sie bereisen. Die Strecke durch Baltistan glich dann eher der früheren Strasse von Germering nach Nebel. Ca. 4 Meter breit, voller holpriger Ausbesserungen, an zwei Stellen war die Strasse von einem Erdrutsch weggefegt worden. Alle Männer des Busses stiegen aus, legten grosse Steine vor die Räder und schoben an. Ich als einzige Frau im Auto durfte sitzen bleiben.

    Zum Abendessen hielten wir in einem grösseren Ort Baltistans. Dieser Distrikt Pakistans gilt als einer der unsichersten für Reisende. Immer wieder hört man Schauergeschichten von Morden und verschwundenen ausländischen Touristen. Afghanistans Taliban beziehen von hier einen Teil ihrer Waffen. Was von den Räubergeschichten Wahrheit und was Fiktion ist fanden wir nicht heraus. Die Waffengeschäfte im Ort (untergebracht in Holzverschlägen wie der Rest der Geschäfte auch) sahen aus wie Kulisse zu einem schlechten Film. Wir wurden zum Ausprobieren der Gewehre und Pistolen eingeladen, lehnten aber dankend ab. Im Übrigen begegneten uns die Menschen hier oben recht freundlich und höflich, trotz ihres militanten Rufes. Und hier waren plötzlich auch wieder Frauen auf der Strasse sichtbar.

    So fuhren wir die ganze Nacht hindurch auf dem holprigen Highway immer weiter hinauf, entlang des Indus. Am nächten Morgen um vier kamen wir dann über einen kleinen Pass und vor uns begannen die Täler der grossen Bergkämme. In Chilas hielt unser Bus zum Frühstück und wir trafen dort alte Bekannte wieder - die zwei radelnden Spanier aus Yazd/Iran. Sie waren die ganze Strecke Bam-Chilas mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren und wollten nun radeln bis hinauf nach China hinein. Dies ist DIE Fahrradstrecke überhaupt. Sämtliche Globetrotterradfahrer scheinen sie mindestens einmal in ihrem Leben bezwungen zu haben.

    Die nächsten 4 Stunden bis nach Gilgit erweckten meine Reiselust wieder zum Leben. Die Strasse windet sich entlang des Industals. Unter uns der rauschende, von Gletschern dunkelgraue Fluss. Neben uns immer wieder Einblicke hinauf in lange grüne Täler. Wir fuhren mal so einfach am Nanga Parbat vorbei, 8125 m hoch, seine Gletscher leuchteten uns im Morgenlicht entgegen. Die Berge hier waren unglaublich imposant und wunderschön. Und immer wieder kamen uns die toll dekorierten pakistanischen Lastwagen entgegen. Aus einfachen Bedford-Trucks machen die Pakistaner die reinsten Kunstwerke. Aufbauten und Verzierungen leuchten in hunderten von Farben und Mustern, Türen mit Holzschnitzereien verkleidet, Front und Heck mit allen möglichen Metallbändern und Ketten und Glöckchen verziert hört man sie schon von weitem. Die reinste Augenweide :-)

    Kaum in Gilgit angekommen und an einem heillos überfüllten und verstopften Bushalteplatz rausgelassen, las uns der Schlepper eines Backpackerhotels auf und lud uns werbewirksam zum Tee ein. Wir nahmen dankend die morgendliche Erfrischung an. Dieses Guesthouse wollten wir uns eh ansehen. Anschliessend wurden wir dann auch noch zum Bus nach Passu gebracht. Dort lud uns ein Mann aus Sust zum Tee ein ...! Er arbeitet beim Zoll in Sust, der Grenzstadt zu China. Erzählte uns von den Orten hier, wo wir hinfahren sollen, dass wir bei ihm übernachten können, wenn wir dort oben sind, dass er sich unglaublich freue uns zu treffen und und und ... mit unzähligen Inshallahs zwischendurch. Wir werden uns wiedertreffen, Inshallah (so Gott will). Endlich warten ohne blöde Anmache, über die Strasse gehen ohne antatschen. Viele der Männer sahen uns zwar an. Ihre Blicke waren neugierig und nicht invasiv. Wir fühlten uns jetzt schon entspannter. In den Bergen schien es wirklich anders zu sein als in den Städten im Flachland.

    Und dann kamen nochmal sechs Stunden Minibusfahren. Hinein in die Hunzatäler, hinauf den KKH entlang Richtung China, entlang grüner Berghänge (ich hab vielleicht gestaunt wieviele Bäume hier wachsen!), sandiger Gipfel, unzähliger Gletscherzungen die auf uns herableuchteten. Vorbei an Rakaposhi und anderen über 7000 m hohen Gipfeln. An einer Felsnadel steht eine Burg, dann zwängt sich die Strasse durch eine enge Schlucht. Leider konnte ich nicht die ganze Zeit meine Augen offen halten. Die Landschaft um uns herum war total irre und ich wurde wieder lebendig :-)) Den zwei Ziegenkindern am Dach gefiel die Fahrt allerdings überhaupt nicht. Sie waren in einem Pappkarton zwischen all dem anderen Gepäck verschnürt und schauten nach 2 Stunden völlig verschreckt aus. Eine bieselte dann auch prompt auf meinen Rucksack ...

    Nach all den Städten der letzten zwei Monate wollten wir so weit weg von Beton und Autos wie nur möglich und suchten uns dazu den kleinen Ort Passu aus. Nach 3½ Tagen Fahrt mit Zug und Bussen kamen wir Nachmittags um 16.00 Uhr dort an. Ich stieg aus dem Minibus und bin vor lauter Glück fast davongeschwebt. Gut dass mein Rucksack so schwer war. Um uns herum hohe Felsengipfel, hinter uns drei Gletscherzungen, vor uns einstöckige Häuser inmitten von Feldern und Gärten, dahinter die breiten Arme des Hunzaflusses. Wir wussten sofort, dies war UNSER Ort zum Ausschnaufen und Naturtanken. Wir gingen hinunter zum Guesthouse (hatten wir vorher ausgesucht) und bezogen ein grosses sauberes Zimmer das aussah wie eines irgendwo in Österreich. Holzdecke mit Balken, dicker Teppich, feste Betten, geweisselte Wände, geschwungene Lampen mit Stoffhauben, unser Fenster hinaus in den Garten. Es hatte sich gelohnt, das ganze Land in einem Ruck zu durchqueren, auch wenns anstrengend war.

    Noch kurz ein paar Bergdaten: Das Karakorumgebirge ist mit seinen 35 Millionen Jahren eines der jüngeren der Erde (die Saurier starben schon lange vor seiner Entstehung aus). Hier finden sich 12 der 30 höchsten Gipfel der Erde, fünf sind über 8000m, 25 über 7500 m und um die hundert Gipfel über 7000 m hoch. 23-25% sind von Gletschern überzogen (im Vergleich hat der Himalaya 8-10% und die Alpen 2,2% Gletscher). Die Berge und Gletscher sind immer noch in Bewegung. Ständig ändern sich Hänge, Flussläufe, Gletscherzungen. Ein beeindruckender geologischer Fleck der Erde.

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Almabtrieb und Bergsteigen in Passu

    Dieser kleine Ort liegt in Gojal auf ca. 2550 m Höhe, hat heute 500 Einwohner. Der ursprüngliche grössere Ort wurde vor 15 Jahren bei einem Hochwasser vom Fluss weggeschwemmt. Die BewohnerInnen hier sind Ismailis, deren geistiger Führer der jeweilige Agha Khan ist. Und die kümmern sich um die Kultur und Bildung ihrer Anhänger. Die Grundschule im Ort hat vier Computer, zum Üben für die älteren Klassen. Lehrer werden vom Gemeinderat nach ihrer Qualifikation ausgesucht und entsprechend besser bezahlt als an staatlichen Schulen. Die Kinder lernen ab der ersten Klasse Englisch, Urdu (Amtssprache) und Wahid (Regionalsprache). Sogar Mathe wird auf Englisch gelehrt. Die Menschen im Ort sind sich ihrer Kultur und der Bedeutung von Bildung sehr bewusst und stolz darauf. Uns begegneten sie zunächst mit freundlichem Abstand. Die Frauen hier oben sieht man ganz selbstverständlich auf den Wegen. Sie sind selbstbewusst und manche nahmen mich spontan bei der Hand, um mir etwas zu erklären (auf Wahid und ich verstand kein einziges Wort). Nur fotografiert wollen sie nicht werden, und mit Håkan zu sprechen war tabu (sind halt Moslems). Ihre bunten Trachten sahen faszinierend aus.

    Zwei Tage lang verbrachten wir mit den Dörflern am Fluss - Almabtrieb. Den Yaks wird es im Sommer auf ihren Winterweiden auf ca. 4000 m Höhe zu heiss. So werden sie hinunter ins Tal gebracht, müssen durch die Flussarme schwimmen und ziehen dann hinauf zu den Wiesen oberhalb des Baturagletschers bis zum Herbst. Dieser Tag ist genau wie in den Alpen auch, ein Feiertag. Das ganze Dorf kam am Flussrand zusammen (es war schul- und arbeitsfrei), um dem Schauspiel beizuwohnen. Doch dieses Jahr verlief es nicht so glatt wie üblich. Die Yaks wollten aus irgendeinem Grund nicht über den Fluss schwimmen. Ca.10 Männer brachten die Herde hinunter zum Fluss auf der einen Seite, auf der anderen standen ca. die gleiche Anzahl bereit um sie in Empfang zu nehmen. Die Herde wurde ins Wasser getrieben und drehte auf halbem Weg wieder um. Zwei grosse Yaks wurden mit Seilen durch den Fluss gezogen um die anderen hinüberzulocken. Aber auch das blieb erfolglos. Am Ende des ersten Tages waren ein Kalb samt Mutter ertrunken, nur zwei Yaks am anderen Ufer und die Herde immer noch auf der Sommerseite. Einer der beiden Yaks schwamm am nächsten Morgen wieder zurück zu seinen Freunden. Er fühlte sich anscheinend alleine. Am kommenden Tag wurden noch mehr Männer engagiert und sie begannen Yak für Yak durch den Fluss zu ziehen. Die Herde wollte nicht folgen. Es brauchte noch einen halben dritten Tag, bis alle Tiere über den tiefsten der Flussarme war. Es sah nach Knochenarbeit aus. Ständig ins kalte Gletscherwasser, auf der einen Seite paarweise Yaks anseilen, ins Wasser treiben, auf der anderen Seite laufen und ziehen ziehen ziehen bis sie durch die Stömung sind. Es war das erste Mal hier, dass die Yaks nicht schwimmen wollten. Ob jetzt über den Bau einer Brücke nachgedacht wird? Und wer kann den bezahlen?

    Während Håkan und ich als einzige Ausländer den ganzen Tag zusahen und mitfieberten (die anderen Touris kamen immer nur für einige Stunden), kamen wir mit einigen Dorfbewohnern ins Gespräch. Arbeit als Bergführer und als Yaktreiber wird nach einem Rotationssystem verteilt. So erhält jeder gleichberechtigt Arbeit. Die Löhne sind im Vorhinein festgelegt. Einer erzählte uns vom Leben hier und vom Einfluss der Touristen. Die Menschen hier oben heissen Reisende willkommen, sind sich aber deren oft negativen Einfluss auf ihre Kultur sehr bewusst. Der Dorfrat diskutiert immer wieder, unser Guesthouse (das mitten im Ort liegt) endgültig zu schliessen. Sie wollen die Hotels am Ortsrand haben. Es kam des öfteren vor dass Touristen abends nicht die Vorhänge zuzogen und Vorbeikommende auf der Strasse kostenlose Peepshows zu Gesicht bekamen. Pärchen sonnten sich auf den Kiesbänken in Badekleidung, schmusend und mehr. Und immer wieder laufen die Touristen in Shorts und ärmellosen T-Shirts rum. Håkan und ich machte es einmal mehr grantig, dass soviele Touristen (egal ob für 3 Wochen hier oder auf längerer Tour) respektlos der Kultur ihres Gastlandes gegenüber sind. Zudem scheinen sich viele in den Städten anständig zu kleiden und kaum, da sie in dünner besiedelten Bergregionen rumlaufen, ihre Hüllen fallen zu lassen. Wir waren stolz auf die Passuer, dass sie sich ihre Kultur nicht von Ausländern zerstören lassen wollen (und einmal mehr gar nicht stolz auf die Westler). Wenn die Touristen so ignorant sind und sich nicht anpassen wollen, geschieht es ihnen recht, wenn manche Orte Reisende strickt ausschliessen. Wir fragten uns wer eigentlich entwickelter ist, diese Menschen hier oder Touristen ...

    Am Nachmittag des ersten Tages wurde ich dann von einer Schar Grundschülerinnen belagert. Sie sangen mir stolz englische Volkslieder vor. Und dann kams: Sing a song! (eine meinte, sing three songs!) Oh je, ich und englische Lieder auswendig. Mir fiel dann der Kanon "I like the flowers" ein und nach einer halben Stunde üben hatten viele den Text drin. Nur im Kanon war´s zu schwierig. Es war ein interessanter und sehr wertvoller Tag :-)

    Am Abend des zweiten Tages kam die halbe Herde hinauf zum Dorf. Ein kleines Kalb stand pitschnass und bewegungslos auf der Wiese, nachdem es zwei Männer durch den letzten Flussarm zogen. Es sah sehr unglücklich aus. Diese Yaks sind beeindruckende Tiere. Niedriger Rist, bullig, lange Hörner und viel viel Kraft. Ein Bulle trampelte mal kurz die Steinmauer zu einem Feld ein als er bockspringend versuchte seine Leine los zu werden. Sein Besitzer stemmte sich mit seinem ganzen Gewicht dagegen. Ich hielt von den Tieren sicherheitshalber Abstand. Die haben mir doch zu viel Kraft.

    Berge, Berge nichts als Berge. Blickten wir des Morgens aus unserem Fenster, sahen wir genau auf einen 6800 m Gipfel, in dieser Gegend ein eher kleinerer. In diesem Teil des Himalaya bergsteigen zu gehen ist nicht so einfach. Wege sind nicht gekennzeichnet, oft weggeschwemmt von Erdrutschen. Wanderkarten gibt es so gut wie keine genauen. Ohne Zelt und Kocher kommt man nicht weit, es gibt hier oben keine bewirtschafteten Hütten zum Übernachten. In manche Täler ist ein Führer notwendig, um Probleme mit den Bewohnern zu vermeiden. Die Berge hier sind harscher und aktiver als z.B. in Nepal. Ständig rutscht irgendwo Sand/Geröll ab oder Lawinen machen einem das Wandern schwer.

    Einen Tag gingen wir den Yunz-Valley-Trek. Hinter zum Passugletscher, hinauf ins Yunz-Valley (2775m hoch), hinauf auf den Aussichtsberg (ca. 3500 m), wieder hinunter zum Yunz-Tal, ganz hinunter auf der anderen Seite zum Baturagletscher, und diesen entlang zurück zum KKH und nach Passu. 8 Stunden waren wir unterwegs. Die Sicht von ganz oben war schön, allerdings stand uns ein Bergerl im Weg, um einige der grossen Gipfel zu sehen. Die Gletscher hier sind viele Kilometer lang (Batura 58 km!), krachen und rauschen ständig. Die Tour war steil, sandig und heiss, viel Klettern über grosse Felsbrocken. Spass gemacht hat sie mir nicht so sehr, auch wenn manche Ausblicke auf Gletscher und Berge wunderschön waren. Hier oben wächst ausser kleinen Büschen nichts. Dafür dufteten die unglaublich stark nach herben Kräutern. Mir war nach einigen Stunden ganz schwindelig von ihrem Parfüm. War ein bissl wie stundenlang durch einen Teeladen spazieren. Für diese Tour ist ein Bergführer empfohlen, da der Weg sich oft ändert oder kaum sichtbar ist. Wir gingen ihn ohne Führer und ohne uns gross zu verlaufen. Einige Tage vorher brauchte ein Japaner aus unserem Hotel allerdings 12 Stunden für die gleiche Route. Er lief einige Male in die komplett falsche Richtung. Keine Ahnung wie er das angestellt hat. Wenn wir uns aber so die Leute ansahen, die hier die Hänge rauf und runterklettern, ist ein Führer wirklich von Nöten. Einige Leute die zusammen aus China kamen, gingen die Tour vor uns mit Guide. Das ca. 60jährige holländische Pärchen hatte Leinenschuhe mit Profilsohlen an und waren zuvor noch nie irgendwo Bergsteigen. Ich wunder mich immer wieder, wie wenig Respekt manche Touristen vor diesen Hochgebirgen haben.

    Einige Tage später stiegen wir dann auf den Borit Sar, 4023m hoch, ein weiterer Aussichtshügel. Es war eine 12 h Gewalttour. Wir waren beide hinterher total fertig aber überglücklich, denn die Sicht von oben war einfach gigantisch. Um halb sechs Uhr morgens starteten wir. Zwei Stunden bis zum Fuss des Berges, 4½ Stunden überwiegend ohne Weg steile sandige Hänge gerade hinauf, teilweise auf allen vieren, mit Klettern durch Felsbänder (während der letzten Stunde dachte ich, ich muss aufgeben, konnte einfach nicht mehr). Ich kam völlig fertig und ausser Puste oben an ... und konnte nicht anders als vor Freude von einem Ohrwaschl zum anderen strahlen. 360 Grad Rundblick! Auf der einen Seite die 6000der Felsengipfel und Sicht hinüber ins nächste Tal, auf der anderen Seite Sicht hinein ins Passumassiv mit seinen vielen weissen Gipfeln zwischen 7000 und 7800 m Höhe, vier Gletscher die sich uns entgegenwanden, eine weiss staubende Bilderbuchlawine, blauer Himmel über uns und talabwärts war sogar der Rakaposhi zu sehen. Es war einfach nur noch beieindruckend gigantisch :-))))))))) Leider vergassen wir, ein gemeinsames Foto von uns beiden vor dieser beeindruckenden Kulisse zu machen. Wären tolle Postkarten geworden. Der Abstieg war dann genauso anstrengend wie der Anstieg und nach 4 Stunden waren wir froh, mal wieder einen geraden WEG gehen zu können. Hinterher fragten wir uns, ob wir wirklich dort oben waren oder alles nur geträumt hatten. Ich würde diese Tour nie wieder an einem Tag machen. Sie war einfach zu krass. Aber die Aussicht von dort oben war das absolute Highlight der ganzen Pakistantour.

    Den nächsten Tag ging ich keinen Meter mehr, hatte Muskelkater und viele viele Blasen. Wir gingen dann noch einen Spaziergang zur Hängebrücke (ca. 150 m Drahtseile über den Fluss gespannt mit Holzplanken im 1m-Abstand, da drüber laufen fand ich äusserst unangenehm) und wanderten ein wenig den KKH auf und ab. Und wir trafen die beiden radelnden Spanier wieder. Sie waren machten eine Weile Pause in Passu und wollten dann weiter hinauf nach Kashgar/China. Den KKH hinauradeln sei wunderschön aber anstrengend gewesen.

    Nach fast 9 Tagen hier oben gaben wir uns einen Ruck und fuhren per LKW (tolle freie Aussicht) und Suzuki Sammeltaxi wieder gegen Süden.

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Touristenort Karimabad

    Was für ein Kontrast. War Passu ein kleines einsames Nest mit zwei Miniläden trafen wir hier in Karimabad (ca. 2400m), im Herzen des Hunzatales, wieder auf üblichen nationalen und internationalen Tourismus. Die Hauptstasse war gesäumt von Hotels, Restaurants, Handicraftshops (wie immer das auf Deutsch auch heisst?) und bemerkenswert gut ausgestatteten Lebensmittelläden. Unser Zimmer hatte eine kleine Terasse und blickte genau hinunter zu Rakaposhi (7788m) und Diran (7200m). Um die Ecke konnten wir den Ultar sehen (7388m). Frühstück gabs ab jetzt immer auf unserem Balkon in der Morgensonne. Leider bezieht das ganze Dorf mangels Quellen sein Trinkwasser aus dem Ultargletscherfluss. Und dieses ist von Unmengen Glimmer dunkelgrau. So bekommt man in Restaurants grauen Tee, duscht mit grauem Wasser, wäscht mit grauem Wasser. Wir sehnten uns bald nach einer Dusche mit klarem Wasser um unser Grau loszuwerden ;-)

    Auch hier blieben wir länger als geplant. Diese Berge zu verlassen fiel uns unendlich schwer.

    Einen Tag wanderten wir hinüber ins benachbarte Altit-Tal. Ein kleiner alter Ort, inmitten von Aprikosen- und Mandelbäumen, mit kleinen engen Gassen und einem recht baufälligen Fort am Rande eines Felsabbruchs. Wir gingen hinauf nach Duikar, ein kleines Nest oben am Berg, genossen fort die Aussicht vom Eagles Nest. Ein findiger Pakistani baute dort oben ein wunderschönes, in die Landschaft sich einfügendes komfortables Hotel. Das Restaurant hängt über dem Hang. Die grossen Glaswände geben Blick frei hinunter ins Hunzatal, hinüber zum Ultargipfel und auf der anderen Seite hinein nach Hoper (von dort könnte man dann auch den K 2 sehen, aber diese Tour machen wir beim nächsten Mal). Der Besitzer berichtete uns von den Gruppenreisen die hier herkommen zu Sonnenuntergang oder Sonnenaufgang, von den unterschiedlichen Preisen die er verlangt. Gruppenreisende haben eh schon bezahlt und so verlangt er für Kost und Logis ein wenig mehr. Backpackers haben nicht so viel Geld und so verlangt er von ihnen ein bisschen weniger. Wir fanden die 25 Rupies für eine Cola immer noch Wucher (bekamen dann 5 RS Rabatt, in Karimabad zahlten wir üblicherweise 10-12 RS ...).

    Die Menschen hier hiessen uns oft willkommen, ratschten auf dem Weg 10 Minuten mit uns. Einige ältere Frauen waren neugierig auf Håkans langes Haar, versuchten es anzufassen. Håkan war dummerweise meist schneller. In einem Ort beim Abstieg von Duikar witzelte eine alte Frau mit mir. Sie wollte ihre Kraxe mit meinem Daypack tauschen, setzte mir ihren Hut auf und meinte, nun sähe ich original nach Originaltracht aus. Von einer vorbeikommenden Frau bekamen wir frisch gepflückte Kirschen. Zwei alte Männer zeigten uns an einer Weggabelung die richtige Richtung und gingen ein Stück mit. Zwei Schulkinder zeigten uns stolz ihre Schulhefte. Ein kleiner Bub hielt uns wortlos Walnüsse hin zum Aufmachen. Uns begegneten viele dieser kleinen Dinge den ganzen Tag über. Die Bewohner hier oben sind herzlich und lächeln viel, vor allem die Frauen. Die schienen das Leben hier mehr zu lenken als die Männer.

    Und einen Tag gingen wir hinter dem Baltitfort hinauf zum Ultar Gletscher. Ist ein ca. 3 stündiger Anstieg (Wegsuchen durch Geröll und über Felsen) ein enges Flusstal hinauf auf einen Almboden, von Gletschern und Gipfel umrahmt. Mittlerweile bietet die ehemalige Schäferhütte auch Verpflegung und Übernachtungsmöglichkeit an. Wir trafen dort oben alte Bekannte aus Passu wieder. Jeder schien hier die gleichen Routen zu begehen. Der Ultar Gipfel ist mit seinen 7388m Höhe immer noch unbestiegen. 1994 stürzte bei dem Versuch ihn zu besteigen, ein junger Japaner tödlich ab. Er war bergerfahren und mit einer Expedition unterwegs. Von hier unten sah der Schneegipfel nicht schwieriger aus als all die anderen im Himalaya auch. Für uns eh nicht zu erklimmen. Der Gletscher ist sehr aktiv. Wir verbrachten zwei Stunden oben in der Senke und sahen mind. vier Eislawinen und hörten es noch öfters oben rumpeln. Beim Abstieg war dann ein Teil des Weges vom angeschwollenen Gletscherfluss besetzt. Donnernd suchten sich dunkelgraubraune Wassermassen ihren Weg nach unten. Und wir mussten uns einen Ausweichweg entlang der sandigen Hänge suchen. Auf halben Weg hinunter ist ein kleiner Almboden mit grünen Wiesen, Bäumen entlang eines klaren Baches, Büsche blühten leuchtendrosa vor blauem Himmel. Wer hat nur diese Farbenpracht in die Welt gezaubert!

    Wir blieben mal wieder doppelt so lange in Karimabad wie geplant. Nach sechs Tagen machten wir uns mit gemischten Gefühlen weiter flussabwärts zurück nach Gilgit.

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Kurzer Stop in Gilgit und zurück nach Islamabad

    Zwei Tage blieben wir noch in Gilgit, wohnten in einem gemütlichen Guesthouse mit Gärten, Wegen, Blumen und einer Sonnenlaube vor unserem Zimmer und. Es kam wieder klares Wasser aus dem Wasserhahn und es war um einiges heisser hier auf ca. 1300 m Höhe. Wir trafen fast alle Reisebekannten aus Passu wieder.

    Und wir erfuhren von der Ermordung König Birendras und seiner Familie. Ich musste ganz schön schlucken. Für mich gehörte das Bild dieser Königsfamilie zu Nepal wie die Himalayas. Und in einem Abend wurde sie kurzerhand ausgelöscht. Die Wahrheit, wer nun wirklich wen erschoss, wird wohl nie ans Licht kommen. Alle Leichen sind verbrannt und ihre Asche im heiligen Fluss Nepals auf dem Weg ins Nirvana. Ob nun der älteste Sohn im Familienstreit (eine sehr bequeme Lösung), ein Komplott der chinesischen Maoisten im Land oder ein Staatsstreich des Onkels (beide Zweige der Königsfamilie morden sich gegenseitig seit Jahrhunderten) bleibt Spekulation. Der Zeitpunkt war ideal gewählt. Er deckt sich mit Legenden und Weissagungen aus der Hindureligion. Die Königsfamilie wird als Inkarnation Shivas angesehen. Ich war sehr traurig.

    In Gilgit genossen wir noch einmal die relative Ruhe vor der Grossstadt. Einen Abend fuhren wir einige Kilometer den Gilgitfluss hinauf und wanderten zu einer Buddhastatue. Sie trohnt als Relief hoch an einem Felsen. Zu Fuss zurück nach Gilgit blickten wir nochmal auf Rakaposhi im Abendlicht, wanderten zwischen Feldern und grünen Wiesen hinunter ins Tal. Nur die BewohnerInnen hier oben waren unangenehm. Kinder bewarfen uns mit Steinen (Ich warf einen zurück vor ihre Füsse und sie sahen mich ganz erschrocken an, hatten wohl nicht mit einer solchen Gegenreaktion gerechnet). Erwachsene lachten uns aus, Jugendliche riefen uns frivol klingende "hello"s zu oder schrien uns schon von der Entfernung " Anglais, Pen!!" zu. Keine Ahnung auf welchem Trip die hier oben waren. Es lag eine unangenehme Spannung über dem Ganzen.

    Einen Abend kamen wir mit dem Manager des Guesthouses ins Gespräch. Er erzählte uns von den vielen islamischen Richtungen, die sich hier ständig um die Koranwahrheit streiten und die Entwicklung des Landes lähmen. Andere Religionen werden in Ruhe gelassen. Er berichtete, wie er von Touristen den Inhalt des Korans lernte. Vorher betete er nur die Verse runter, ohne je über deren Inhalt nachgedacht oder ihn verstanden zu haben. Für ihn ist die schlechte wirtschaftliche Lage des Landes die Strafe Gottes dafür, dass jeder jeden betrügt, sich die Islamisten streiten anstatt den Koran zu leben. "Wir sind selbst schuld" meinte er mit einem Lächeln. Aber er ist traurig über die Lage der Menschen. Pakistan wäre ein reiches Land, mit Bodenschätzen, Naturschönheiten und fruchtbringenden Ebenen gesegnet. Aber es gibt zu wenige ehrliche Politiker hier. Die Menschen in der North West Frontier Province bezahlen schon lange keine Steuern mehr. Die Regierung unterstützt keine stukturelle und wirtschaftliche Entwicklung in dieser Region. Flüge nach Gilgit fallen aus, weil die Maschinen zu alt sind und keine neuen angeschafft werden. Zahlungskräftige Touristen bleiben weg, weil ihnen der lange Weg von Islamabad mit dem Bus hierher verständlicherweise zu anstrengend ist. Im Winter gibt es keinen Strom. Die Regierung baute vor einigen Jahren zwar ein neues Stromwerk. Es fehlen aber Fachkräfte, die das ganze einschliesslich der Leitungen in Stand halten. Sechs Monate nach Inbetriebnahme begannen die ersten Stromausfälle. Sieht man die wilde Kabelführung, die von Hauptstromleitungen über Fenstersimse, Balkone, entlang Hauswänden, durch Fenster in die Häuser geleitet werden, ist es nicht verwunderlich, dass jeden Tag zu den Stosszeiten die Stromversorgung heillos überlastet ist. Baut die Regierung mal eine neue Strasse, bezahlen die Bewohner des jeweiligen Distrikts ihren Steueranteil nach Fertigstellung. Sie wurden zu oft von den Offiziellen im Regen stehen gelassen. Städteplanung gibt es hier sowieso nicht. Wir wunderten uns über die vielen halb eingerissenen Häuser an den Strassenrändern von Gilgit. Diese Betonruinen entstanden bei der Verbreiterungen der Strassen. Es wurde von den im Weg stehenden Gebäuden soviel weggerissen, wie die Strasse verbreitert werden sollte. Der Rest bleibt einfach stehen, sah an manchen Stellen aus wie nach einem Krieg. Wo ihre ehemaligen Bewohner blieben ....??

    Waren die Frauen im Hunza selbstbewusst und überall sichtbar, trugen die wenigen Frauen die wir in Gilgit sahen ihre Gesichter verschleiert (in bunten Stoffen) und blieben stumm hinter ihren Männern. Ein Angestellter im Visaoffice (dort verbrachten wir zwei Stunden um danach zu erfahren, dass unsere Visas trotz Enddatum Mitte Juni für drei Monate ab Einreisedatum gültig sind ... so kanns gehen) berichtete mir von den Problemen hier in Gilgit. Es leben hier viele Flüchtlinge aus Afghanistan und den unsicheren pakistanischen Tälern. Sunniten, Shiiten und eine Ismailische Minderheit leben hier zusammen und bekriegen sich vorzugsweise an hohen Festtagen, meist blutig. Die meisten Spannungen zwischen Sunnis und Shiiten herrscht am Ende des Ramadan. Ihm war auch der "schlechte Charakter und die Ungebildetheit" (sein Ausdruck) der Männer unten in den Ebenen nichts neues und er entschuldigte sich für deren Übergriffe auf ausländische Touristinnen.

    Mit gemischten Gefühlen nahmen wir dann den öffentlichen Bus zurück nach Islamabad. Abschied von den Seitentälern, vom rauschenden Indusfluss (der schien mehr Wasser zu führen), von Hängebrücken, hohen Wiesen und Gipfeln. Noch einmal fuhren wir am Nanga Parbat vorbei.

    Zum Abendessen hielten wir in Dasu an einer Raststätte mit Hotel, mitten im angeblich so wilden Baltistan. Die unteren Zimmer wurden als Restauranträume für Busgäste benutzt. Håkan und ich bekamen auch eines. Tote Kakerlaken auf dem Fussboden, lebendige auf Tisch und Bett. Im Wassereimer der Toilette schwamm munter ein langer schwarzer Tausendfüssler und um den Toiletteneinsatz sauste eine ebenso schwarze Kakerlake. Gut, dass wir hier nicht übernachten mussten und ich nur die Toilette benutzen wollte. Ob der mit Gewehr bewaffnete Polizist im Bus zum Schutz der Fahrgäste abgestellt war oder privat fuhr wissen wir nicht. Wir fühlten uns auch in Dasu nicht bedroht. Ein Passant entschuldigte sich bei Håkan für die Einfachheit des Restaurants. Wir seien hier halt auf dem Land...

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Hitze und Mangosaison in Islamabad

    Am nächsten Morgen um sechs Uhr kamen wir in Rawalpindi an. Zurück in der Grosstadt mit einem tiefen Seufzer. Ich hatte mir vorgenommen, jedem der mich antatscht ins Gesicht zu treten und mit Håkan abgemacht, dass er dann in die Situation springt und seine Ehemannshow abziehen kann. Anscheinend muss man das nach aussen gespürt haben. An diesem Morgen begegneten uns nur höfliche und hilfsbereite Männer. Frauen waren hier wieder weg von der Strasse. Da wir nicht in Pindi wohnen wollten, suchten wir uns den Bus nach Islamabad und stiegen dann um in den Stadtminibus zum Sitara Market, dem Block mit erschwinglichen Hotels in der Hauptstadt. Wir fanden ein freundliches Hotel, für unsere Verhältnisse sehr komfortables Zimmer und zogen bei morgendlicher Hitze ein. Der Herr an der Rezeption meinte, es sei heute kühl da es vor zwei Tagen regneten. Wir schwitzten jetzt schon und es sollte noch schlimmer kommen.

    Nachdem wir uns diplomatenfrisch gemacht hatten, fuhren wir schnurstracks zur indischen Botschaft. Doch wir hatten Pech. Es war Samstag und im Gegensatz zu den islamischen Behörden hat die indische Botschaft Samstag/Sonntag geschlossen... So kamen wir am Montag morgen wieder. Lange Menschenschlangen drängten sich vor der Botschaft. Ausländer haben drinnen einen extra Schalter und dürfen an den Pakistani vorbei, jegliche Art von Taschen war allerdings nicht erlaubt. So ging Håkan mit unseren Pässen ins kühle Innere des Gebäudes und ich wartete mit unseren Rucksäcken in der Hitze davor. Zwei Ventilatoren waren im Freien aufgestellt, um Wartenden und Beamten zwischendurch Abkühlung zu verschaffen. Nach einer Stunde kam Håkan mit den Visaanträgen raus, wir füllten sie aus, Håkan ging wieder hinein und kam nach weiteren 40 Minuten zurück mit der Nachricht, dass wir bis Freitag warten müssen ...! Mein Visum hätte ich heute schon bekommen. Das von '98 war dem Visaofficer Unbedenklichkeitsprüfung genug. Håkan hat einen neuen Pass und so wurde erst nach Schweden gefaxt und auf deren Bestätigung von Håkans Identität gewartet. Das Fax bezahlten natürlich wir (500 Rs!!).

    So verbrachten wir notgedrungen eine ganze Woche in Islamabad. Wir versuchten die unerträgliche Hitze zu überleben. Ich war in meinem Leben noch nie so viel und so kontinuierlich in Schweiss gebadet. Es hatte irgendwas zwischen 40 und 48 Grad. Aussen- und Innenventilator schien nur wenig zu helfen. Selbst Nachts wurde es nicht wesentlich kühler. Mitte der Woche regnete es dann eine ganze Nacht und wir liefen überglücklich morgens um 8 Uhr durch Nieselregen zum Einkaufen. Wir schrieben endlich unsere Iranupdates zu Ende, hatten Zeit zum Lesen und Internet und gingen Shoppen.

    Islamabad wurde in den 60er Jahren von europäischen Städteplanern auf dem Reissbrett konstruiert. Die Stadt ist schachbrettartig angelgt, in Sektoren von E F G H I 1-10, in Nord- und Süddteil aufgeteilt. Unternummern ersetzen die Strassennamen. Das breite Strassenband in ihrer Mitte heisst Blue Area. Entlang dieser befinden sich Banken, Einkaufszentren (die schon wieder recht runtergekommen aussehen), gute Restaurants, Geschäftstürme und viel viel Grün dazwischen (das wieder zum Dschungel wird). Diese Stadt fühlte sich nie nach Stadt an, eher nach quadratisch hingewürfelten, niedrigen Häuserblocks im Dschungel. Schön geplant mit funktionierender Stromversorgung, Müllabfuhr, Stadtbussystem brökelt auch hier wieder Putz und Beton, halten Arme in Zelten Einzug, belagert Wildwuchs angelegte Parks. Hier befinden sich die protzigen Regierungspaläste, prunkvolle Villen mit verschwenderischen Gärten. Hier ist Pakistans Zentrum von Macht und Geld (und Korruption) zu Hause.

    Die Stadt war trotz der Hitze recht angenehm zum Leben. Wir hatten Platz auf der Strasse zum Gehen. Die Einwohner hier waren höflicher und freundlich. Wir fanden gute Restaurants, verbrachten stundenlang in Buchläden und kaufen Video CD´s ein. Hunderte von Filmen sind hier für 1,50 pro CD erhältlich. Manche sind zwar zu Tode komprimiert um auf eine CD zu passen. Aber für nette Kinoabende im Hotel taugten sie vorzüglich. Und ich fand hier meinen Lieblings Hindifilm Kuch Kuch Hota Hai! Da lachte Bettina´s Herz und Håkan über mich ;-)

    Die Mangosaison hatte begonnen. Die Zeitungen brachten lange Berichte über die verschiedenen Sorten, Preise, Namen, Exportschwierigkeiten und die Unfähigkeit der Regierung die Mangobauern zu fördern. Ein Artikel empfahl den Bauern sich selbst zu organisieren und nicht auf Unterstützung seitens der Regierung zu warten. Dieses Thema haben die Arbeiter in Europa schon vor über hundert Jahren bearbeitet ....?! In der ganzen Stadt sah man bergeweise goldene, duftende Früchte in Obstgeschäften und auf Karren ausgestellt. Wir assen sie mit Genuss. Dieses Aroma schon vor dem Schälen war einfach unglaublich, und dann erst der Geschmack!!! Håkan waren sie allerdings zu süss. Ich tauchte ein ins Mangoschlemmerland :-)

    Nach einer Schwitzwoche gingen wir dann am Freitag wieder zur Indischen Botschaft, gaben morgens unsere Visaanträge ab. Håkan kam aus dem Gebäude mit ernüchternden Nachrichten. Da wir auf dem Antrag nur vier verschiedene Reiseziele angaben, könne uns der Officer nur ein Visum für drei Monate ausstellen. Wir hatten von anderen Reisenden schon gehört, dass Indien Rucksacktouristen raushaben möchte. Die frühere Reisegewohnheit von manchen, jahrelang zwischen Indien, Nepal und Pakistan zu pendeln, funktioniert nicht mehr. Ich hoffte nur, dass uns dies nicht schon beim ersten Visum passiert. Den ganzen Tag waren wir recht unruhig und gestresst ... Als wir am Nachmittag dann wieder zur Botschaft fuhren, nervte mich dann auch noch der Minibusfahrer. Er streifte beim Schalten an meinem Oberschenkel entlang, legte sich in Kurven extraweit auf die linke Seite, um mich "zufällig" berühren zu können. Beim Aussteigen riss ich ihm dann seine Glücksblumen vom Rückspiegel, warf sie ihm vor die Füsse und beschwerte mich lautstart über seine unverschämten Tatschereien. Er und die Fahrgäste sahen mich mit der üblichen Deppenmine an ... aber mir gings hinterher so richtig gut. Endlich hatte ich meine Agression dort abgeladen wo sie auch hingehört, beim Agressor. Zurück bei der Botschaft kam dann die Überraschung - wir hatten ein Visum für sieben Monate ausgestellt bekommen! Normalerweise gibt´s maximal sechs Monate Touristenvisum. Unser Visabeamter schien sich verzählt zu haben (oder Håkan's Erklärungen über Monsun-Abwarten in den Bergregionen hatte uns seriös genug erscheinen lassen). Wir waren überglücklich und fühlten uns so frei wie schon lange nicht mehr. Die letzte Hürde war genommen. Der Weg nach Indien war frei!

    Noch was zum Botschaftsviertel in Islamabad. Geplant wie diese Stadt ist, gibt es natürlich einen eigenen Quadranten für die ausländischen Vertretungen. Die bauten dann festungsähnlich aussehende, riesige Gebäudeklötze, mit grossen Gartenanlagen und hohen stacheldrahtgekrönten Mauern bzw. Zäunen. So ein Botschaftsmitarbeiter hier scheint ein schweres Leben zu haben. Auf den brachliegenden Grünflächen zwischen den Anlagen wachsen meterhoch die Canabisstauden. Eine kleine Tüte in der Mittagspause gefällig? War ein lustiges Bild. Die Hanfpflanzen fanden sich auch auf vielen freien Grünflächen im Rest der Stadt. Schien ähnlich wie Unkraut nicht ausrottbar zu sein.

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Kurzer Halt in Lahore

    Unsere Indienvisas in Händen, fuhren wir am Samstag dann schnurstracks nach Lahore (trotz meinem Durchfall, der am Morgen begann. Ich wollte nur noch raus aus diesem Land). Die fünf Stunden im Bus waren Erholung für unsere überhitzten Körper. Er hatte eine funktionierende Klimaanlage. Das erste Mal seit 10 Tagen sassen wir in der Kühle. Ich wollte gar nicht mehr aussteigen. Mit einem Auge sah ich mir den indischen Kinofilm im Fernseher an, mit dem anderen beobachtete ich die vorbeiziehende Landschaft. Zuerst fuhren wir durch trockene, rötlichbraune Felder. Die Ebene wurde hügeliger bis sie Blicke in tiefe, teilweise bewaldete Täler frei gab. Die gut ausgebaute, mehrspurige Autobahn wand sich die Hänge entlang hinunter in die Indusebene. Die sah dann nach typischem indischen Flachland aus: Felder, Felder, Wasserkanäle, Wasserbüffel, kleine und grosse Dörfer. Es war wieder grün.

    In Lahore selbst kamen wir dann an einer Bushaltestelle am Stadtrand an, ausserhalb unseres Stadtplans. Taxifahrer zeigten uns hilfsbereit den richtigen Bus in die Innenstadt, ungewöhnlich. Wir suchten ganz schön lange rum, bis wir ein billiges Hotel suchten. In die Bahnhofsgegend wollten wir nicht ziehen. Hatten zu viele Geschichten über unsichere Hotels und Gepäck stehlende Angestellte gehört. So suchten wir uns durch in ein sichereres Viertel, was gar nicht so einfach war. Orientierung in Lahore schien so gut wie unmöglich. Es war weder ein Zentrum noch unterschiedliche Viertel erkennbar. Nur Strassen, Strassen, Strassen und massenweise Menschen. Wir fanden dann ein bezahlbares, allerdings sehr dunkles Zimmer ohne Fenster. Der Hitze darin war auch mit dem Deckenventilator nicht beizukommen. Ein nächtlicher Wolkenbruch fand den Weg bis auf unser Bett. Es regnete durch den halb mit Karton zugenagelten Luftschacht direkt auf uns herab.

    Zwei Nächte blieben wir in der Stadt. Ich wollte mir das Fort und die Altstadt ansehen. War keine so berauschende Idee. Nach dem nächtlichen Regen sah die ganze Stadt wie ein einziges Slum aus. Die eh sehr runtergekommenen Häuser sahen noch trüber aus. Unmengen von Müll schwamm auf den grossen Pfützen der Strassen. Es stank aus vielen Ecken nach nassem Kompost. Und dies sollte das Handelszentrum von Pakistan sein?

    Wir suchten uns den Weg durch das Strassengewirr zum Roten Fort. Es wurde zur gleichen Zeit und im selben Stil wie die Moghul Forts in Delhi und Agra gebaut. Von innen war es allerdings mehr als enttäuschend. Die alten Palasträume sind dilettantisch renoviert. Einlegearbeiten, Holzschnitzereien, Spiegelverzierungen, Mauern sind von Smog und Feuchtigkeit angefressen. Frescos kaum mehr sichtbar. Innen- und Aussenmauern brökeln ab. Die Gärten sind vertrocknet und überall lag Müll herum. Ein trauriger Anblick. Das einzig positive war der Eintittspreis. Ausländer bezahlen hier das gleiche wie Einheimisch, vier Rupees. War ein schönes Gefühl, in diesem Punkt mal wieder gleichberechtigt behandelt zu werden.

    Die Altstadt schenkten wir uns dann. Vom Fort sahen wir in die Gassen hinein und die sahen nicht anders aus als der Rest der Stadt, runtergekommen, halb verfallen, mit viel Müll - nicht besonders einladend.

    Eigentlich wollten wir noch einen Reiseführer für Indien kaufen. Allerdings läuft in Lahore das Leben anders. Am Sonntag haben alle Geschäfte (ausser den Restaurants) geschlossen! Und dies in einem islamischen Staat. Lahore ist halt nicht wirklich Pakistan. Es schien eine indische Stadt mit pakistanischen Augen und Müll zu sein.

    Bei der Teilung Indiens gingen alle Bewohner davon aus, dass Lahore indisch bleiben wird. Was für ein Schock, als die offizielle Grenze verkündet wurde, Lahore gehörte zu Pakistan. Von einem Tag auf den anderen begann eine riesige Flüchtlingswelle. Hindus der pakistanischen Seite wollten nach Indien, Moslems aus dem Punjab wollten nach Pakistan. Hastig packten die Menschen weniges Gepäck zusammen, machten sich zu Fuss oder mit Zügen auf den Weg in ihre Freiheit. Für viele endete dies tödlich. Militärs und Zivile versuchten, die Flüchtenden beider Seiten mit Gewalt aufzuhalten. In Lahore und auch in Amritsar kamen ganze Waggons voller Leichen und Blut an. Militärs schossen einfach von aussen in die Abteile bis sich keiner mehr bewegte. In den Wochen nach der Abspaltung Pakistans starben allein ander Indo-Pak Grenze 1,2 Millionen Menschen ...

    Nach zwei Nächten, viel Schwitzen und wenig essen nahmen wir dann am Montag Morgen den Bus zum Whaga Grenzübergang. Diese letzten 30 km in Pakistan fuhren wir getrennt. Håkan sass hinten bei den Männern, ich vorne im Frauenabteil, was recht interessant war. Eine Frau nahm mich beim Aussteigen an der Hand. Ich sollte wohl mit ihr nach Hause kommen. Oh nein. Vielen Dank für die nette Einladung aber ich wollte nach Indien, ohne Unterbrechung. Raus aus der Stadt, fuhren wir durch Dörfer, entlang feuchter grüner Felder. Wasserbüffel badeten in kleinen Teichen, ganze Herden blockierten die Strasse.

    Den Weg über die Grenze gingen wir dann zu Fuss. Auf der pakistanischen Seite gibt es einen Buchstand, der alle möglichen gebrauchten Reiseführer an- und verkauft. Leider hatten die nur Lonely Planets. Dafür bekamen wir einen guten Wechselkurs für unsere übrigen PRupees. In krassem Kontrast zum Rest des Landes sahen die Grenzgebäude nagelneu, blitzsauber und hochmodern aus. Showtime.

    Whage ist der einzige offene Grenzübergang für über Land reisende Ausländer. Pakistanis oder Inder müssen einen anderen Grenzübergang benutzen, bzw. dürfen diesen nur per Zug oder Direktbus Lahore/Amritsar passieren. So haben die Grenzer hier nicht viel zu tun und können ihre frivole Neugierde ganz offiziell ausleben. In der pakistanischen Zollhalle mussten wir unsere Rucksäcke auspacken. Der Grenzer wollte in alle Tüten und Taschen sehen. Und ich hatte so perfekt meinen Rucksack gestopft. So verbrachten wir eine Stunde lang mit Erklären der verschiedenen Bücher, der Grenzer sah sich meinen Bildband über den Indus an, fragte mehrere Male ob in dieser Tüte meine BH's seien (ich antwortete stur nur immer mit Unterwäsche), gab Håkan den Ratschlag, er solle seine CD's verstecken (sei in Indien nicht erlaubt) und lud uns anschliessend zum Tee ein. Er fand uns sehr sympatisch weil wir so geduldig waren, andere Touristen würden zum Schimpfen anfangen und unhöflich werden. Sind die dumm, dachte ich mir. Uns war klar, dass Gepäckkontrolle für die Leute hier mehr Entertainment als Suchen nach Illegalem war. Mit Ungeduld und Grant würde es nur noch länger dauern und vielleicht die eine oder andere MusikCD als illegal konfisziert werden. So spielten wir höflicher Zurückhaltung diesen Schmarrn mit. Auch, als der Grenzer mir seinen blauen Fleck von Cricketspielen zeigte und meinen krankenschwesterlichen Rat wollte, ob dies gefährlich sei. Er wollte, dass ich die Haut an der Stelle befühle. Pech gehabt. Ich liess in perfekter Muslimtradition Håkan die Tatscherei übernehmen und gab meinen "professionellen" Kommentar dazu verbal ab. Der Tee allerdings war mir nicht geheuer. Ich erwartete halb, noch an der Grenze mit irgendeiner Droge übers Ohr gehauen zu werden. War natürlich Quatsch. Wir verabschiedeten uns und die letzten 200 m zur indischen Seite begannen.

    Durch ein grosses, mit rotbemalten Ziegeln gebautes Tor hindurch, nochmal Pässe einigen Grenzern zeigen, und dann waren wir dort - standen an der Grenzlinie zu Indien. Von beiden Seiten tönte uns aus Ghettoblastern die jeweilige Popmusik des Landes entgegen. Schien ein Spiel zwischen den Grenzleuten zu sein. Ich ging die letzten Meter mit Genuss und andächtiger Freude. Nach acht Monaten Reisen, durch viele verschiedene Länder war ich am 18.6.2001 um 13.15 Uhr endlich an meinem Ziel angekommen. Auf dem Landwege nach Indien. Mir wurden die Augen feucht vor Freude. Total bescheuert. Den Schritt über die Grenzlinie ging ich dann in Zeitlupe und mit meinem ganzen Bewusstsein. Er war eines der einfachsten Dinge auf dieser Reise.

    Wir waren in Indien, JUHU !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

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Noch einige Gedanken

    Nach fünf Wochen in in Pakistan war ich froh, endlich draussen zu sein. Alleinreisende Frauen brauchen in diesem Land gute Nerven und viel Selbstbewusstsein. Mich hat die Respektlosigkeit der Männer schon als Paar und mit Kopftuch genervt (meine Nerven waren von der langen Zeit im Islam eh überstrapaziert). Auch war ich nach sechs Monaten reisen in muslimischen Ländern, so unterschiedlich die einzelnen Ausprägungen auch waren, froh, endlich wieder in ein freieres Gesellschaftssystem zu kommen. Grundsätzlich mag ich die Inhalte des Koran und die Würde, die im Islam verankert ist. Allerdings ist diese Religion wieder einmal Bestätigung dafür, dass jedesmal wenn Religion und Politik verknüpft wird, Terror und Unterdrückung raus kommt. Der Islam scheint nun im selben Stadium zu sein, wie das Christentum in seinem Mittelalter. Diese Regligion muss halt noch 600 Jahre Entwicklung nachholen. Pakistan war auch krasses Beispiel, wie sehr der Islam benutzt wird, die Menschen zu gängeln. Wir sahen kaum jemanden, der froh oder zufrieden dreinblickte. In den meisten Gesichtern spiegelte sich Hoffnungslosigkeit und eine tiefe Melancholie. Die Augen der Männer waren hart und durchdringend selbst in interessanten, freundlichen Gesprächen. Dieses Land ist Paradebeispiel, wie missbrauchte Religion die Seelen ihrer Anhänger verkrampft und verstümmelt.

    In die Bergregionen möchte ich wieder reisen. Die bizarre, harsche Welt dort oben beeindruckte mich. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten für kleine und grosse Bergtouren. Das nächste Mal werden wir allerdings direkt nach Gilgit hinauf fliegen, Zelt und Kocher dabei haben und fitter sein als diesmal. Ohne richtige Ausrüstung kommt man nicht weit. In manchen Tälern ist auch ein Führer angesagt, nicht zum Wege finden sondern um Komplikationen mit den Einheimischen zu vermeiden. Manche Täler sind immer noch unsicher, für Pakistani und Ausländer gleichermassen. Sie werden von unabhängigen Clans regiert und die verteidigen ihr Territorium. Die unsicheren Gegenden und aktuelle Brandherde sind bekannt. Von Einheimischen bekommt man genaue und verlässliche Informationen, welche Gegenden sicher und welche man vermeiden sollte. Leider gibt es immer wieder TouristInnen, die nicht auf solche Warnungen hören. So hört man immer wieder von Morden. Einige Wochen vor unserem Besuch, wurde eine Japanerin erdrosselt in ihrem Zelt aufgefunden. Hotelbesitzer und andere Traveller warnten sie eindringlich, nicht in ein bestimmtes Tal alleine Zelten zu gehen. Sie ging trotzdem und bezahlte mit ihrem Leben.

    Wir möchten auf jeden Fall irgendwann zum K2 gehen. Die Tour ist nur mit geführter Gruppe möglich, dauert ca.20 Tage, führt bis zu einem der Basecamps über Gletscher und Schneefelder. Ich hatte noch nie das Bedürfnis, auf diese hohen Schneegipfel hinaufzusteigen. Aber zwischen ihnen tagelang zu wandern, von ihnen umgeben zu sein, hinauf zu Felsen und Gletschern zu blicken lässt mein Herz jedesmal fliegen. Die Welt der Himalayas ist schlicht wunderschön.

    Entlang des Indusflusses entwickelte sich eine der ersten grossen Hochkulturen der Menschheit. Die sog. Indus Valley Civilization hatte ihre Blüte zeitgleich mit Mesopotamien und Ägypten. Sie hinterlies viele archäologische Spuren entlang des Indus. Irgendwann will ich mir auch noch den Rest des Landes ansehen. Bin einfach zu neugierig auf all die Ruinen und Moghulbauwerke. Und ich überlege ernsthaft, dies mit einer gebuchten Tour zu tun. Dann muss ich mich nicht so viel mit den verklemmten Männern dort konfrontieren. So ändern sich die Zeiten, Bettina denkt über eine Package Tour nach ...

    Unser Footprint Handbook war von den beiden Enthusiasten verfasst, die auch Jordan/Syria/Lebanon schrieben. Es war ein Genuss, Hintergründe und Fakten über dieses Land wertfrei beschrieben zu bekommen (im Gegensatz zum Lonely Planet, der jedem rät, während Ramadan sich vom Land fern zuhalten - es gäbe dann nichts zu essen. So ein Quatsch). Diesen Reiseführer kann ich nur jedem empfehlen, der nach Pakistan fahren möchte. Er enthält breitgefächert und sehr detailliert Unmengen von Informationen. Leider sind Transport und Karten in der neuen Ausgabe manchmal etwas verwirrend.

    Auch hier in Pakistan bekamen wir Einladungen von Mitreisenden. Wir nahmen keine von ihnen an. Wir hatten einfach keine Energie mehr, tiefer in die Welt der Menschen hier zu blicken, als wir es von aussen sahen. Im Nachhinein bin ich traurig darüber. Ich verpasste die Chance, mehr von den Gesellschaftsstrukturen und auch mehr vom Leben der Frauen zu erfahren. Manche Dinge sind einfach nicht machbar, wenn man so lange reist. Vielleicht beim nächsten Besuch.

    Von der Polizei hier sollte man sich möglichst fern halten. Zwei Touristinnen erbaten Hilfe, als sie in Rawalpindi von Männern belästigt wurden. Die Antwort der Polizisten war, sie sollen halt im Hotel bleiben, dann passiert ihnen so etwas nicht. Die Polizei, dein Freund und Helfer ... nicht in jedem Land.

    Pakistan empfand ich als sehr ambivalent. Die Schönheit der Berge und die stolze Kultur ihrer Menschen stand im krassen Gegensatz zur Agressivität einzelner religiöser Gruppen und zu der Respektlosigkeit der Menschen in der Südhälfte. Und über allem tront auch noch ein korruptes politisches Netz, dass mehr mit Machtspielen als mit dem Vorwärtsbringen des Landes beschäftigt ist. Ob Pakistan jemals eine Chance hat, aus Armut und Terror rauszutreten, bezweifle ich. Auch der derzeitige Präsident Musharraf scheint sein Amt als reines Machtinstrument zu benutzen. Dies tut er jedoch sehr medienwirksam.

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Skurille Geschichten zum Abschluss

    Fährt man von Gilgit mit dem Jeep Richtung Chittral kommt man über einen ca. 4000 m hohen Pass. Auf diesem wird jährlich ein grosses Polotournier abgehalten. Tausende von Menschen reisen für einige Tage dort hinauf, wohnen in Zelten und im Freien um dem Schauspiel beizuwohnen. Ein riesiges Volksfest in der Höhe.

    Pakistan und Afghanistan bezieht einen Grossteil seiner Waffen aus einer kleinen Stadt im Osten Pakistans. Wir trafen ein französisches Paar, dass ihn besuchte und uns davon berichteten. Der Mark besteht hauptsächlich aus Waffengeschäften, Heroinläden, Teestuben. "Abendteurer" können für Dollars angebundene Ziegen mit einer Bazuka (oder Sonstigem) in die Luft jagen. Die zwei Franzosen fühlten sich nie bedroht oder unsicher in der Stadt. Sie meinten nur, es war völlig surreal, diesen Mix aus Waffen und Drogen ständig öffentlich angeboten zu bekommen.

    Wir hörten von einer Japanerin, die vier Wochen alleine durch Afghanistan reiste. Sie reiste mit Pistole. Einmal musste sie sie zur Abschreckung ziehen. So viel Abendteuer brauche ich dann doch nicht. Afghanistan würde mich schon interessieren. Allerdings warte ich lieber ab, in welche Richtung sich die politische Lage dort entwickelt.

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The end

    Mein Bericht ist wieder mal länger geworden als geplant. Es gibt einfach immer so viel zu erzählen. Ich wünsche Euch allen noch einen wunderschönen Sommer.

    Liebe Grüsse einstweilen von
BETTINA (+ Håkan natürlich ;-)

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(C) 2000-2002, Bettina Schmitz & Håkan Hjelmström